HANSEATISCHE RECHTSANWALTSKAMMER HAMBURG
Ausgabe 1/2021 vom 28. Januar 2021

BGH: Anspruch auf Herausgabe der Handakte verjährt nach BGB

Der BGH hatte sich in einem Urteil vom 15.10.2020 mit der Frage auseinanderzusetzen, wann der Anspruch auf Herausgabe der Handakte verjährt. Im Berufsrecht ist lediglich die Pflicht zur Länge der Aufbewahrung geregelt (grundsätzlich sechs Jahre), nicht aber die Verjährung des Anspruchs auf Herausgabe.

Im streitgegenständlichen Mandat war im Jahre 2011 eine Aktenaufbewahrung für einen Zeitraum von 10 Jahren nach Abschluss des Mandates vereinbart worden. Die Mandantin ging 2012 in die Insolvenz. Ende 2015 verlangte der Insolvenzverwalter von der Anwaltskanzlei die Herausgabe der während des Mandats geführten Handakten. Die Anwaltskanzlei lehnte dies im Januar 2016 ab und berief sich auf Verjährung. Anfang 2017 reichte der Insolvenzverwalter eine Klage auf Herausgabe der Handakte ein und berief sich dabei auf die Aufbewahrungsfrist der Mandatsvereinbarung.

Sowohl Landgericht als auch Oberlandesgericht wiesen die Klage ab. Auch der BGH sah keine Veranlassung, der Revision stattzugeben:

Der Anspruch auf Herausgabe der die anwaltliche Tätigkeit betreffenden Akten folge aus § 667 BGB i.V.m. § 50 BRAO. Die Verjährung des Herausgabeanspruchs aus § 667 BGB habe vorliegend zum Schluss des Jahres 2012 zu laufen begonnen. Denn mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Mandantin im Jahre 2012 endete auch das Mandat und der Anspruch auf Herausgabe der Handakten werde spätestens zu diesem Zeitpunkt fällig. Der Anspruch unterliege der dreijährigen Verjährung gem. § 195 BGB, so dass Verjährung mit Ablauf des 31.12.2015 eingetreten sei.

Die Verjährung des Anspruchs auf Herausgabe der Handakten beginne unabhängig von einem Herausgabeverlangen des Mandanten, der § 695 Satz 2 BGB sei nicht entsprechend anwendbar.

Die Bestimmung regele den Sonderfall, dass der Rückforderungsanspruch des Hinterlegers bereits mit Hingabe der Sache entsteht und die Verjährung ohne gesonderte Regelung sofort zu laufen begänne, und beruht somit auf den Besonderheiten so genannter verhaltener Ansprüche. Diese Interessenlage sei mit der des Mandanten eines Rechtsanwalts nicht vergleichbar; die Verjährung des Anspruchs auf Herausgabe der Handakten beginne erst mit Fälligkeit dieses Anspruchs und nicht bereits mit Abschluss des Mandatsvertrags.

Die berufsrechtliche Pflicht zur Aufbewahrung für einen bestimmten Zeitraum – nunmehr sind es grundsätzlich sechs Jahre (§ 50 Abs. 1 Satz 2 BRAO) – habe auf den Lauf der Verjährung des Herausgabeanspruchs aus § 667 BGB keinen Einfluss. Auch wenn diese Bestimmungen über ihren berufsrechtlichen Regelungsgehalt hinaus die materiell-rechtliche Rechtslage zwischen Mandant und Anwalt beeinflussen, folge daraus nicht, dass der Lauf der Verjährung des Herausgabeanspruchs abweichend von § 199 BGB zu bestimmen sei.

Nichts anderes gelte auch für die Aufbewahrungspflicht in der Mandatsvereinbarung. Nach dem objektiven Empfängerhorizont betreffe diese Regelung vor allem die Berechtigung zur Datenlöschung und zur Aktenvernichtung. Man könne aus dieser Vereinbarung keinen Verwahrungsvertrag herleiten. Hierzu fehle es hinsichtlich der von einem Rechtsanwalt geführten Handakten im Ganzen regelmäßig an einer Inobhutnahme fremder beweglicher Sachen zu einer fremdnützigen Aufbewahrung.

BGH, Urteil vom 15.10.2020 – IX ZR 243/19