HANSEATISCHE RECHTSANWALTSKAMMER HAMBURG
Ausgabe 1/2021 vom 28. Januar 2021

VG Hamburg: Maskenpflicht in Anwaltskanzleien

Das VG Hamburg hat mit Beschluss vom 15.12.2020 einen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gestellten Antrag auf „Maskenfreiheit“ in Anwaltskanzleien abgelehnt.

Der Antragsteller ist Partner einer Anwaltskanzlei. Vom VG Hamburg möchte er im Wege der einstweiligen Anordnung u.a. feststellen lassen, dass er nicht durch die HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO verpflichtet ist, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Das VG Hamburg hat den Antrag auf einstweilige Anordnung als unbegründet zurückgewiesen. Die sich auch an den Antragsteller richtenden Regelungen der Maskenpflicht aus der HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO seien nicht offensichtlich rechtswidrig. Die HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO sei mit höherrangigem Recht vereinbar. Insbesondere greife die Maskenpflicht nicht unverhältnismäßig in die Grundrechte des Antragstellers ein.

Die Maßnahme sei zur Erreichung des mit ihr verfolgten Zwecks, die Infektionswahrscheinlichkeit zu reduzieren und hierdurch die Kontrolle des Infektionsgeschehens zu unterstützen, geeignet. Der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung liege die wissenschaftlich begründete Annahme zugrunde, dass sich das neuartige Coronavirus sowohl im Wege einer Tröpfcheninfektion bei direkten persönlichen Kontakten als auch über Aerosole – bestehend aus kleinsten Tröpfchenkernen, die längere Zeit in der Umgebungsluft schweben und sich insbesondere in Innenräumen anreichern und größere Distanzen überwinden können – besonders leicht von Mensch zu Mensch verbreitet. Wenngleich der wissenschaftliche Diskurs über die Eignung sogenannter Alltagsmasken zur Vermeidung von Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus nicht abgeschlossen ist, bestehen jedenfalls begründete Anhaltspunkte dafür, dass das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung dazu beiträgt, die Verbreitung von Tröpfchen und Aerosolen zu verhindern und somit andere Personen vor diesen zu schützen; dies gilt nicht nur in Situationen, in denen ein Mindestabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden kann, sondern an sämtlichen Orten, an denen mehrere Menschen zusammentreffen und sich länger aufhalten, insbesondere auch am Arbeitsplatz.

Auch sei die Maßnahme der Maskenpflicht erforderlich, denn mildere Mittel, die den erstrebten Erfolg mit gleicher Wirksamkeit fördern könnten, seien nicht ersichtlich. Dies gelte auch für die vom Antragsteller vorgeschlagene Kontaktverfolgung, die nicht das Risiko einer Ansteckung mindern und aufgrund der zeitlichen Verzögerung auch die weitere Virusübertragung durch nunmehr Infizierte nicht verhindern könne. Außerdem führe die Kontaktverfolgung zu eben jener Inanspruchnahme der Gesundheitsbehörden, die durch die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung vermieden werden soll.

Auch die Erarbeitung und Umsetzung von Hygienekonzepten auf freiwilliger Basis, könne die Maskenpflicht nicht gleichwertig ersetzen, da diese anders als eine Verpflichtung zur Einhaltung bestimmter Hygienemaßnahmen von Rechts wegen gerade nicht behördlich durchsetzbar sei.

Ferner wäre auch eine zwischen Art, Größe, Raumbeschaffenheit und Organisation sowie Kern- und Randarbeitszeiten der jeweiligen Arbeitsstätte differenzierende Regelung nicht gleich wirksam. Eine solche Differenzierung, die im Ergebnis eine Vielzahl unterschiedlicher Regelungen allein für Büroräumlichkeiten mit unterschiedlichen Parametern zur Folge hätte, würde die effektive Durchsetzung der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ganz erheblich erschweren.

Schließlich sei die Maskenpflicht auch angemessen, also verhältnismäßig im engeren Sinne. Der Rechtseingriff durch die Maskenpflicht sei nicht als gravierend anzusehen. Hier müsse auch berücksichtigt werden, dass die Mund-Nasen-Bedeckung nach der HmbSARS-CoV-2-Eindämmungs-VO in geschlossenen Räumen, in denen lediglich eine Person anwesend ist, also insbesondere in sämtlichen von einer Person allein genutzten Arbeitszimmern, abgelegt werden darf. Beziehe man die weiteren Ausnahmen von der Maskenpflicht mit ein (bei dauerhafter Einnahme eines Sitz- oder Stehplatzes bei gleichzeitiger Wahrung des Mindestabstands von 1,5 Metern zu anderen Personen) sei vielmehr anzunehmen, dass eine Mund-Nasen-Bedeckung im Wesentlichen allein beim Durchschreiten von Fluren und für die jeweils selbst bestimmbare Dauer des Aufenthalts in sonstigen gemeinschaftlich genutzten Räumen im Stehen zu tragen sein wird.

Auch sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die angegriffene Maskenpflicht die berufliche Tätigkeit des Antragstellers als Rechtsanwalt als solche – über gelegentliche Unannehmlichkeiten bei der bloßen Gelegenheit dieser Tätigkeit hinaus – konkret beeinträchtigen könnte. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass die Mund-Nasen-Bedeckung nach der HmbSARS-CoV-2-Eindämmungs-VO vorübergehend abgelegt werden darf, wenn dies zur Ausübung der beruflichen Tätigkeit zwingend erforderlich ist.

Dieser vergleichsweise geringen Belastung stünde das Bemühen des Verordnungsgebers gegenüber, die Kontrolle über die pandemische Verbreitung einer Krankheit zurückzuerlangen, die wissenschaftlich noch immer unzureichend erforscht ist und insbesondere bei einer drohenden Überlastung des Gesundheitswesens erhebliche Todeszahlen und Folgeschäden bei Überlebenden befürchten lasse. Solange keine belastbaren tatsächlichen Anhaltspunkte für die gegenteilige Annahme bestehen, dass das Risiko einer Virusübertragung aufgrund bestimmter grundsätzlicher Eigenheiten des Kontakts zu anderen Menschen in Büroräumlichkeiten und anderen Arbeitsstätten zu vernachlässigen sein könnte, sei eine Maßnahme wie die hier angegriffene unter Berücksichtigung des weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraums des Verordnungsgebers in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Dies gelte erst recht vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Maßnahme um einen – vergleichsweise wenig eingriffsintensiven – von vielen verschiedenen Bausteinen in einem politischen Gesamtkonzept zur Eindämmung der Pandemie handele.

VG Hamburg, Beschluss vom 15.12.2020 – 20 E 5003/20