HANSEATISCHE RECHTSANWALTSKAMMER HAMBURG
Ausgabe 2/2022 vom 29. März 2022

III. Tätigkeit des Vorstands im Berichtsjahr

11. Unerlaubte Rechtsdienstleistung/wettbewerbsrechtliche Verfahren

Auch im Jahr 2021 ist der Kammervorstand insbesondere gegen Gewerbetreibende und ausgeschiedene Mitglieder bei Verstößen gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz und bei unbefugter Verwendung von Berufsbezeichnungen vorgegangen.


Statistik   2020   2021
Aus dem Jahr 2019 übernommene Fälle 22      
Eingaben im Jahre 2020                                                                           22      
insgesamt in 2020 zu bearbeitende Fälle                                      44 44    
         
Aus dem Jahr 2020 übernommene Fälle     12  
Eingaben im Jahre 2021             17  
insgesamt in 2021 zu bearbeitende Fälle      29 29
         
davon unschlüssig bzw. nach Stellungnahme nicht weiter verfolgt 19   13  
nach Abmahnung durch UVE abgeschlossen 4   5  
durch Gerichtsverfahren erfolgreich abgeschlossen:        
   - Klagverfahren 6   3  
   - Ordnungsmittelverfahren 2   0  
   - Strafbefehl AG Hamburg 1   1  
insgesamt abgeschlossen 32 32 22 22
         
am Ende des Jahres noch offene Verfahren:        
   - Klagverfahren 4   5  
   - Revisionsverfahren 1   0  
   - Sonstige 7    2  
insgesamt am Ende des Jahres noch offene Verfahren   12   7

                                                                                                           

Dabei standen auch im Berichtsjahr die Fälle zur Abgrenzung der unerlaubten Rechtsdienstleistung von den inzwischen auch Nicht-Anwälten erlaubten Rechtsdienstleistungen im Vordergrund. Hintergrund der Auseinandersetzungen sind zum einen die Angebote von LegalTech-Unternehmen unter Berufung auf eine Inkassolizenz und die Öffnung des Beratungsmarktes für Nicht-Anwälte durch die Rechtsprechung (namentlich die „wenigermiete-Entscheidung“ des BGH) und den Gesetzgeber (zuletzt durch das Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht und zur Änderung weiterer Vorschriften und das Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt).

Der Vorstand der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer hat sich auch im Berichtsjahr 2021 ständig mit diesen Themen beschäftigt. Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer hat, namentlich durch das Vorstandsmitglied Herrn Dr. Schultz-Süchting und die Geschäftsführerin Frau Dr. Kenter sowie die Referentin Frau Thode, auch im Berichtsjahr verschiedene Verfahren gegen solche Anbieter geführt.

Von herausragender Bedeutung ist hier das Verfahren gegen das "Smartlaw-Angebot" eines renommierten Verlages, welches am 9. September 2021 vom BGH entschieden wurde (BGH, Urteil vom 9.9.21, I ZR 113/209). Dem Verlag war auf die Klage der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer hin bereits vom LG Köln rechtskräftig verboten worden, damit zu werben, dass sein Angebot "so gut wie vom Rechtsanwalt" sei. Streitig war aber noch die Frage, ob der Verlag den von ihm angebotenen Vertragsgenerator überhaupt – unabhängig von der Ausgestaltung seiner Ankündigung – anbieten darf. Das OLG Köln hatte diesen Vertragsgenerator als solchen für zulässig erachtet.

Dazu hat der BGH die Revision der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer verworfen:  das Angebot sei zulässig, weil keine Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten durch den Algorithmus, der den Kunden durch das Programm leitet, erbracht werde. Der Bundesgerichtshof ist der Meinung, der Kunde erhalte für seine Vertragsgestaltung keine individuelle Beratung. Der BGH hat aber ausdrücklich hinzugefügt, anderes könne gelten, wenn die Erläuterung der Beklagten zu Bedeutung und Rechtsfolgen der Fragen und Antworten, ihre Beschreibung der zu erbringenden Vertragsleistung, die Hinweise im Anschluss an das erstellte Dokument sowie ihre ergänzenden werblichen Angaben bei dem Nutzer die Erwartung weckten, er erhalte mithilfe des Frage-Antwort-Systems eine komplexe individuelle Rechtsberatung, als deren Ergebnis er einen auf seine konkreten Verhältnisse zugeschnittenen Vertrag erhalte. Der vorliegende Fall biete aber keinen Anlass, darüber zu entscheiden. Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer verfolgt die Ankündigungen solcher Anbieter deswegen auch mit besonderem Augenmerk auf diese Hinweise des BGH.

Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer hat in einer Presseerklärung vom 9.9.2021, die mit Kammerschnellbrief Nr. 9/2021 verbreitet wurde, Stellung genommen; Sie finden den Schnellbrief hier: https://www.rak-hamburg.de/mitglieder/mitgliederservice/kammerschnellbrief/jahr/2021/ausgabe/9. Im Nachgang zu dem Urteil des BGH ist eine lebhafte Diskussion über die Reichweite der Entscheidung entbrannt.

Diese Diskussion trifft auf die immer noch andauernde Diskussion über die Reichweite einer Inkassolizenz und die Kommentierungen der jüngsten Gesetzesänderungen im RDG.

Alles in allem herrscht nach wie vor große Unsicherheit. Anders als von manchen Interessenvertretern aus der LegalTech-Branche vorgetragen, ist es keinesfalls so, dass jede automatisierte Rechtsberatung erlaubt sei und ist es keineswegs so, dass jede Rechtsdienstleistung von einer Inkassolizenz gedeckt ist. Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer wird sich auch weiterhin intensiv und aktiv an der Diskussion beteiligen und auch durch gerichtliche Verfahren zur Klärung der offenen Fragen beitragen.

Das gilt z.B. auch im Verfahren beim LG Hamburg gegen einen Anbieter, der als zugelassener Inkassodienstleister umfassende Rechtsberatung auf allen möglichen Rechtsgebieten anbietet und damit nach Überzeugung der Kammer die ihm erteilte Inkasso-Zulassung, auch soweit es eine Vertragsberatung betrifft, deutlich überschreitet. Bestätigt sieht sich die Kammer dabei auch durch eine Entscheidung des LG Hamburg, in welcher z.B. die Angebote zu "professioneller Beratung all Ihrer Immobilienthemen" und "mit einem Team von Spezialisten schnell und unkompliziert kündigungssichere Maßnahmen sofort umsetzen" als unzulässige Rechtsdienstleistungs-Angebote beurteilt und zugleich ausgesprochen wurde, solche Leistungen seien auch nicht durch den Erlaubnistatbestand des § 5 RDG als "Nebenleistungen" gedeckt, weil "die rechtlichen Leistungen, mit denen die Beklagte wirbt, nicht einer anderen Haupttätigkeit untergeordnet" seien, sondern "jedenfalls auf gleicher Stufe mit weiteren etwa betriebswirtschaftlichen Leistungen, die die Beklagte für den Immobiliensektor anbietet", stünden.