HANSEATISCHE RECHTSANWALTSKAMMER HAMBURG
Ausgabe 3/2021 vom 31. Mai 2021

Impftransparenz

Dr. Christian Lemke, Präsident von Dr. Christian Lemke, Präsident

Impftransparenz

Nach § 4 Abs. 4 lit. b) CoronaImpfV haben auch Personen, die in besonders relevanter Position in der Justiz und Rechtspflege tätig sind, mit „erhöhter Priorität“ Anspruch auf eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2, d.h. nachrangig nach den Personen, die nach den §§ 2 und 3 CoronaImpfV mit „höchster“ bzw. „hoher“ Priorität Anspruch auf Impfung haben. Die Anwaltschaft fällt grundsätzlich unter § 4 Nr. 4 b) CoronaImpfV, was aus der Begründung der Verordnung folgt. Aus dem Wortlaut des § 4 Nr. 4 b) CoronaImpfV folgt auch, dass diese Regelung (anders als § 4 Nr. 4 a) und d) CoronaImpfV) nur Personen aus Justiz und Rechtspflege umfasst, die in diesen Bereichen „in besonders relevanter Position“ tätig sind. 

Richtig dürfte es sein, darauf abzustellen, welche Personen der jeweiligen Personengruppe aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit einem besonderen Infektionsrisiko ausgesetzt sind oder besonders vulnerable Personen einem solchen Risiko aussetzen können (siehe dazu schon unseren Schnellbrief 2/2021). Weil sich dies jedoch pauschal kaum ermitteln lässt, haben wir uns frühzeitig mit der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz in Verbindung gesetzt, für die sich schließlich in gleicher Weise die Frage stellt, wer in deren Zuständigkeitsbereich eigentlich in „besonders relevanter Stellung“ tätig ist.

Unser Anliegen war es, dass Rechtsanwälte mit den Angehörigen der Justiz – insbesondere Richtern – in jeder Hinsicht gleichbehandelt werden. Eine entsprechende Gleichbehandlung hat uns die Behörde für Justiz und Verbraucherschutz zugesichert. Mit Aufruf der Gruppe „Justiz und Rechtspflege“ sollten alle Angehörigen der Justiz und Rechtspflege gleichermaßen die Möglichkeit erhalten, einen Impftermin im Impfzentrum zu vereinbaren. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses dieses Kammerreports ist ein entsprechender Aufruf noch nicht erfolgt. Allerdings erreichten uns Beschwerden unserer Mitglieder, die monierten, dass zu Jahresbeginn bereits Betreuungsrichter, im Frühjahr dann Familien- und Strafrichter und jüngst Staatsanwälte systematisch justiz- bzw. behördenintern Angebote zum Impfen im Impfzentrum erhielten, ohne dass die Gruppe der Justiz und Rechtspflege bislang öffentlich zum Impfen aufgerufen wurde. Für das vorgezogene Impfen eines Teils der Richterschaft sowie von Staatsanwälten mag es gute Gründe gegeben haben; die zugesagte Gleichbehandlung ist allerdings auf der Strecke geblieben. Wenn Staatsanwälte und Strafrichter Impfangebote erhalten, warum dann nicht auch Strafverteidiger, die mehr noch als Staatsanwälte und Richter persönlichen Kontakt mit ihren Mandanten haben? Im Familienrecht stellt sich diese Frage in gleicher Weise.

Die Behörde für Justiz und Verbraucherschutz vermochte uns leider keine zufriedenstellende Antwort zu geben, außer den Hinweis darauf, dass der Impfstoff knapp sei. Aber ist das ein Grund, einzelne aus der Gruppe der Justiz vorzuziehen, und dies ohne offen kommunizierten Aufruf gleichsam „im Geheimen“? Vertrauen wird so nicht geschaffen. Offenbar gibt es auch in der Richterschaft aus gutem Grund erheblichen Unmut über das intransparente Handeln der zuständigen Behörden. Schließlich gibt es eine Vielzahl von Verfahren auch in anderen Rechtsgebieten als nur dem Straf- oder Familienrecht, in denen in Anwesenheit der Beteiligten verhandelt werden muss. Es könnte sich gar der Eindruck aufdrängen, dass mit dem offiziellen Aufruf der Angehörigen von Justiz und Rechtspflege so lange zugewartet werden soll, bis alle „dran“ sind – weil die Impfpriorisierung aufgehoben wurde. Hoffen wir, dass es soweit nicht kommt und der Aufruf nun tatsächlich umgehend erfolgt – oder zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Kammerreports bereits erfolgt ist. Und mehr Transparenz ist in jedem Fall gefordert!

Ihr

Dr. Christian Lemke
Präsident