HANSEATISCHE RECHTSANWALTSKAMMER HAMBURG
Ausgabe 3/2021 vom 31. Mai 2021

BGH: Keine Geschäftsgebühr bei gemeinschaftlichem Testament

Die lange umstrittene Frage, inwiefern die Anfertigung eines gemeinschaftlichen Testaments eine Geschäftsgebühr auslöst, hat der BGH nun in einem Urteil vom 15.4.2021 (IX ZR 143/20) verneint. Danach würde auch dann keine Geschäftsgebühr ausgelöst werden, wenn in dem gemeinschaftlichen Testament wechselbezügliche Verfügungen der Auftraggeber vorgesehen sind.

Nach den Feststellungen des BGH unterscheide das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz im Bereich der außergerichtlichen anwaltlichen Tätigkeit zwischen der Beratung und der Vertretung der Mandantschaft. Die Beratung richte sich allein an die Mandantschaft. Ihre Vergütung ist in § 34 RVG geregelt. Die Vertretung der Mandantschaft setze dagegen schon begrifflich Dritte voraus, gegenüber denen die Mandantschaft vertreten werden kann. Sie wird mit einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 bis 2303 VV RVG vergütet. Die Ausrichtung der Tätigkeit nach außen sei zwingende Voraussetzung für das Entstehen einer Geschäftsgebühr. Ob nur eine Beratung oder auch eine Vertretunf vorliegt, richte sich nach dem Inhalt des erteilten Auftrags.

Der auftragsgemäße Entwurf eines (einfachen) Testaments sei als Beratung und nicht als Betreiben eines Geschäfts zu vergüten. Weder läge darin das Betreiben eines Geschäfts noch die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags im Sinne der Vorbemerkung 2.3 Absatz 3 VV RVG. Die Beratung und der Entwurf eines Testaments betreffe jeweils nur die Mandantschaft, die das Testament errichten will.

Nichts Anderes gelte für das auftragsgemäße Entwerfen zweier aufeinander abgestimmter Testamente zweier in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammenlebender Personen. Dass jede der beiden Personen Kenntnis vom Testament des anderen Teils erhalten sollte, reiche schon deshalb nicht für eine nach außen gerichtete Tätigkeit aus, weil beide Personen den Auftrag erteilt hatten, also keine außerhalb des Mandats stehenden Dritten waren. Die Mitwirkung an einem Vertrag im Sinne der Vorbemerkung 2.3 VV RVG scheide aus, weil die beiden Testamente zwar aufeinander bezogen waren, jedoch keine rechtlichen Bindungen erzeugten; sie konnten jederzeit widerrufen oder geändert werden.

Auch der Auftrag, ein gemeinschaftliches Testament zu entwerfen, löse keine Geschäftsgebühr aus. Die Mitwirkung bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments stelle ebenfalls kein Betreiben eines Geschäftes im Sinne einer nach außen gerichteten Tätigkeit dar. Sie betreffe nur die Eheleute oder Lebenspartner, welche das gemeinschaftliche Testament errichten. Diese seien die Auftraggeber des Rechtsanwalts / der Rechtsanwältin. Der / die Rechtsanwalt / Rechtsanwältin vertrete nicht die Interessen des einen gegenüber dem jeweils anderen Teil, was auch im Hinblick auf das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten (§ 43a Abs. 4 BRAO / § 3 BORA), bedenklich wäre. Eine Vertretung der Eheleute oder Lebenspartner gegenüber außerhalb des Mandatsverhältnisses stehenden Dritten finde ebenfalls nicht statt.

Um eine Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrages handele es sich gleichfalls nicht. Ein gemeinschaftliches Testament sei kein Vertrag, auch dann nicht, wenn es wechselbezügliche Verfügungen enthält. Zum Abschluss eines Vertrags bedürfe es zweier aufeinander bezogener korrespondierender Willenserklärungen. Ein Testament werde dagegen durch eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Erklärung des Testierenden errichtet. Nach der Legaldefinition des § 1937 BGB stelle es eine einseitige Verfügung von Todes wegen dar. Ein gemeinschaftliches Testament enthalte einseitige Verfügungen beider Ehegatten oder Lebenspartner. Sie könnten in Form wechselbezüglicher Verfügungen in besondere Abhängigkeit voneinander gebracht werden. Dies geschehe jedoch durch einseitige Erklärungen beider Eheleute oder Lebenspartner, nicht durch Angebot und Annahme, die gegenüber dem jeweils anderen Teil zu erklären wären.

BGH, Urteil vom 15.4.2021 - IX ZR 143/20