III. Tätigkeit des Vorstands im Berichtsjahr
9. Unerlaubte Rechtsdienstleistung/wettbewerbsrechtliche Verfahren
Auch im Jahr 2020 ist der Kammervorstand gegen Gewerbetreibende und ausgeschiedene Mitglieder oder auch Dritte bei Verstößen gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz und bei unbefugter Verwendung der Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt“ vorgegangen.
Die vor allem von unseren Mitgliedern an uns herangetragenen Fälle konzentrieren sich mittlerweile hauptsächlich auf nicht-anwaltliche Gewerbetreibende, die Rechtsdienstleistungen mit Hilfe von Algorithmen- basierten, digitalen Geschäftsmodellen anbieten – Stichwort "Legal-Tech". Der Vorstand der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer hat sich im Berichtsjahr ständig mit diesen Themen beschäftigt. Die Grenzen der zulässigen Rechtsberatung durch nicht-anwaltliche Dienstleister dort, wo es der Schutz der Rechtsuchenden vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen gebietet, werden gerichtlich ausgelotet. Deshalb hat der Vorstand, namentlich durch das Vorstandsmitglied Dr. Schultz-Süchting und die Geschäftsführerin Dr. Kenter, seit 2020 unterstützt durch die Referentin Frau Thode, auch im Berichtsjahr verschiedene Verfahren gegen solche Anbieter geführt.
Insbesondere ist hier das Verfahren gegen das "Smartlaw-Angebot" eines renommierten Verlages zu nennen, welches sich im Revisionsverfahren beim BGH befindet. Dem Verlag wurde auf die Klage der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer hin bereits rechtskräftig verboten, damit zu werben, dass sein Angebot "so gut wie vom Rechtsanwalt" sei; ob er überhaupt den automatisiert betriebenen Vertragsgenerator im Internet anbieten darf, wird voraussichtlich in 2021 der BGH entscheiden.
Eine weitere zur Auslegung von Legal-Tech-Angeboten bedeutsame Entscheidung ist der § 91a-Beschluss des Landgerichts Hamburg im von der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer betriebenen Fall "mehr.plus" (BRAK-Mitteilungen, 2020, 160 ff.). Hier wird einerseits für die Inkassodienstleistung im Hinblick auf und in Abgrenzung zur "wenigermiete"-Entscheidung des BGH deutlich gemacht, dass eine von einer Forderungseinziehung ganz unabhängige Vertragsberatung, insbesondere zur Rückabwicklung von Verträgen, nicht zur erlaubten Tätigkeit eines Inkassodienstleisters gehört. Dabei legt das Landgericht Hamburg bewusst die Grundaussage des BGH aus der "wenigermiete"-Entscheidung zugrunde, wonach Inkassotätigkeit eher weit gefasst sein müsse, und betont, dass alles eben vom Einzelfall abhängig sei. Auch der Hinweis auf „Kooperationsanwälte“, die die rechtliche Prüfung durchführen, half der Beklagten in diesem Fall nicht. Das Hanseatische OLG Hamburg hat die „mehr.plus“-Entscheidung in einem Streitwertbeschwerdeverfahren ausdrücklich bestätigt. Wir stellen fest, dass jeder Fall der angebotenen Rechtsdienstleistung etwas anders liegt und im Hinblick auf die Gesamtumstände beurteilt werden muss. Deswegen lotet der Vorstand derzeit in einigen weiteren Fällen die Grenzen der „Anwalt-als-Erfüllungsgehilfen“-Rechtsprechung des BGH aus, der in einer Vielzahl von Entscheidungen verdeutlicht, dass es auf die konkreten Gesamtumstände des Angebots ankommt und allein der Umstand, dass der Kunde eine Anwalts-Vollmacht unterschreibt, aus dem Verbot des RDG nicht herausführt.
Im Bereich Legal-Tech konnten erfreulicherweise drei laufende Klagverfahren durch Anerkenntnisurteile zugunsten der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer abgeschlossen werden, weil die Verteidigung gegen die Klagen aussichtslos erschienen.
In einem rechtskräftigen Versäumnisurteil zugunsten der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer hat das LG Hamburg die Firmierung „Hamburg Legal Management“ für eine Nicht-Rechtsanwalts-GmbH als wettbewerbswidrig beurteilt.