HANSEATISCHE RECHTSANWALTSKAMMER HAMBURG
Ausgabe 3/2023 vom 1. Juni 2023

BGH: Krankheit ist keine technische Störung

Das ist nicht überraschend: In einem Beschluss stellte der BGH fest, dass technische Gründe im Sinne von § 130d Satz 2 ZPO nur bei einer Störung der für die Übermittlung erforderlichen technischen Einrichtungen vorliegen, nicht dagegen bei in der Person des Einreichers liegenden Gründen (hier: Erkrankung).

Es geht um folgenden Sachverhalt: Gegen das Urteil eines Landgerichts ist rechtzeitig Berufung eingelegt und die Berufungsbegründungsfrist bis zum 4.1.2022 verlängert worden. An diesem Tag ist die Berufungsbegründung per Telefax und im Original beim Berufungsgericht eingereicht worden. Das Berufungsgericht wies auf die Unzulässigkeit der Berufung hin, weil die Berufungsbegründung nicht in der seit dem 1.1.2022 vorgeschriebenen Form des § 130d ZPO eingegangen sei. Hierauf trug der Prozessbevollmächtigte vor, dass er am 4.1.2022 gehindert gewesen sei, die Berufungsbegründung als elektronisches Dokument zu übermitteln. Er sei am 1.1.2022 im Urlaub in Österreich erkrankt. Um eine Coronainfektion auszuschließen, habe er am 2.1.2022 Antigen-Schnelltests durchgeführt, die wiederholt kein eindeutiges Ergebnis gezeigt hätten. Deshalb habe er am 3.1.2022 an seinem Wohnort einen PCR-Test durchführen lassen, dessen negatives Ergebnis ihm erst am 6.1.2022 vorgelegen habe. Die Berufungsbegründung habe er am 3. und 4.1.2022 zu Hause gefertigt, ausgedruckt und unterschrieben. Eine elektronische Übermittlung sei ihm von dort nicht möglich gewesen, da die beA-Hardware und -Software an seinem Arbeitsplatz im Büro installiert seien. Er habe, da ihm auch ein Faxgerät zu Hause nicht zur Verfügung gestanden habe, die Berufungsbegründung am Nachmittag des 4.1.2022 von einem Boten in sein Büro bringen lassen, in dem er mit einer Steuerberatungs-GmbH in Bürogemeinschaft zusammenarbeite. Über den Faxanschluss der GmbH sei die Berufungsbegründung dann an das Berufungsgericht versandt worden.

Nach Auffassung des BGH habe das Berufungsgericht zu Recht die Berufung als unzulässig verworfen. Bereits der Wortlaut des § 130d Satz 2 ZPO spräche dagegen, in Fallgestaltungen, in denen die technischen Einrichtungen zur Übermittlung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument funktionsfähig vorhanden sind und dem Einreichenden lediglich der tatsächliche Zugriff auf sie versperrt ist, von einer vorübergehenden Unmöglichkeit zur Übermittlung aus "technischen Gründen" auszugehen. Nach allgemeinem Sprachgebrauch lägen technische Gründe bei einer Störung der für die Übermittlung des Schriftsatzes in elektronischer Form erforderlichen technischen Einrichtungen, nicht aber bei in der Person des Einreichers liegenden Gründen vor. Dass der Gesetzgeber abweichend davon mit dem Begriff der "technischen Gründe" auch Fälle erfassen wollte, in denen der Rechtsanwalt aus gesundheitlichen - oder sonstigen in seiner Person liegenden - Gründen vorübergehend an der Bedienung der funktionsfähigen Technik gehindert ist, sei nicht ersichtlich.

Auch aus der Gesetzesbegründung ergäbe sich, dass eine Ausnahme von der zwingenden Benutzung eines elektronischen Übermittlungsweges nur dann gelten soll, wenn die Justiz aus technischen Gründen nicht auf elektronischem Wege erreichbar ist, gleichviel ob die Ursache dafür in der Sphäre des Gerichts oder des Einreichenden zu suchen ist. Die beispielhafte Benennung eines Ausfalls des Servers oder der technischen Einrichtungen des Rechtsanwalts in der Begründung des Gesetzentwurfs deute darauf hin, dass der Gesetzgeber nur Fälle erfassen wollte, in denen einer Übermittlung des Schriftsatzes in elektronischer Form rein technische Gesichtspunkte entgegenstehen. Hätte der Gesetzgeber eine Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften bereits bei jeglicher vorübergehenden Unmöglichkeit des Zugriffs auf die an sich funktionsfähigen technischen Einrichtungen als zulässig ansehen wollen, so hätte er dies in der Neuregelung deutlich machen müssen. Gegen einen solchen Willen des Gesetzgebers spräche der im Entwurf dargelegte Zweck des § 130d Satz 2 ZPO, dem Rechtsuchenden auch bei technischen Ausfällen eine wirksame Einreichung von Schriftsätzen zu ermöglichen.

BGH, Beschluss vom 25.1.2023 - IV ZB 7/22