HANSEATISCHE RECHTSANWALTSKAMMER HAMBURG
Ausgabe 3/2023 vom 1. Juni 2023

Kammermitgliedschaft von Nicht-Anwälten / Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: Anwälte keine „Zulieferer“

Dr. Christian Lemke, Präsident von Dr. Christian Lemke, Präsident

1. Kammermitgliedschaft von Nicht-Anwälten
Die am 1.8.2022 in Kraft getretene sog. großen BRAO-Reform hat die seit Jahrzehnten meisten und weitreichendsten Änderungen der BRAO mit sich gebracht (hierzu s. KR 4/2021,  1/2022 und insbesondere 3/2022). Berufsausübungsgesellschaften i.S.d. § 59b BRAO sind nunmehr rechtsformunabhängig Adressaten berufsrechtlicher Rechte und Pflichten und unsere Kammermitglieder. Von der Mitgliedschaft ausgenommen sind allein solche Berufsausübungsgesellschaften, bei denen keine Beschränkung der Haftung der natürlichen Personen vorliegt und denen als Gesellschafter und als Mitglieder der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane ausschließlich Rechtsanwälte, Patentanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer sind. Entsprechende Gesellschaften können sich allerdings freiwillig zulassen lassen und erhalten auch nur dann ein Kanzlei-beA.

Derzeit werden auch alle nicht-anwaltlichen Mitglieder von Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen von Berufsausübungsgesellschaften nach § 60 Abs. 2 Nr. 3 BRAO Mitglied einer Rechtsanwaltskammer, bei einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Haftung also alle nicht-anwaltlichen Partner, soweit diese geschäftsführungsbefugt sind. Hierzu zählen typischerweise die sog. Doppelbänder, die etwa als Steuerberater oder Patentanwälte bereits Mitglieder ihrer jeweiligen Kammer sind. Diesen wird also eine mehrfache Kammermitgliedschaft abverlangt. Auch sonstige geschäftsführungsbefugte Gesellschafter einer zugelassenen Berufsausübungsgesellschaft i.S.d. § 59b BRAO, die sozietätsfähigen freien Berufen i.S.d. § 1 Abs. 2 PartGG angehören, werden unsere Kammermitglieder. Umgekehrt werden alle etwa mit Steuerberatern assoziierte Rechtsanwälte, soweit diese geschäftsführungsbefugt sind und die Gesellschaft eine anerkannte Berufsausübungsgesellschaft ist, auch Mitglieder der zuständigen Steuerberaterkammer (§ 74 Abs. 2 StBerG) und bekommen neben dem beA auch ein besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach.

Aus meiner Sicht begründen die entsprechenden gesetzlichen Regelungen überbordenden Aufwand, der überflüssig ist, weil die jeweilige Berufsausübungsgesellschaft schließlich selbst Kammermitglied und Adressat berufsrechtlicher Pflichten ist. Es bestehen folglich hinreichende Sanktionsmöglichkeiten bei Berufsrechtsverletzungen der Gesellschaft. Ich habe mich daher in Abstimmung mit unserem Kammervorstand auf Ebene der Bundesrechtsanwaltskammer dafür eingesetzt, gesetzliche Änderungen zu fordern, die die Mitgliedschaft von Nicht-Anwälten in unserer Kammer und insbesondere mehrfache Kammermitgliedschaften entbehrlich machen. In der BRAK-Präsidentenkonferenz vom 16.03.2023 teilte die Mehrheit der Kammerpräsidentinnen und -präsidenten meine Bedenken, auch aus den Kammern der Steuerberater und Patentanwälte ist Kritik zu hören. Der BRAO-Ausschuss der BRAK hat sich nunmehr der Sache angenommen und wird zweifellos kluge Lösungsvorschläge unterbreiten.

2. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: Anwälte keine „Zulieferer“
Am 1. Januar 2023 ist das „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ (LkSG) in Kraft getreten. Das Gesetz regelt die unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten in den globalen Lieferketten. Es gilt zunächst für Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten in Deutschland, ab dem 1. Januar 2024 sind Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten in Deutschland erfasst. Einzelne Unternehmen sind nun dazu übergegangen, von Ihren Rechtsanwältinnen und -anwälten den Abschluss von Vereinbarungen zu verlangen, nach denen sich diese als „Zulieferer“ umfassenden Pflichten unterwerfen und den jeweiligen Unternehmen mit der anwaltlichen Verschwiegenheit kaum in Einklang zu bringende Auditrechte einräumen. An die Kammer ist die Frage gerichtet worden, ob Rechtsanwältinnen und -anwälte als „Zulieferer“ entsprechende Vereinbarungen abschließen müssen. Nach Auffassung des Vorstands ist dies nicht der Fall; Anwälte sind grundsätzlich keine „Zulieferer“ im Sinne des LkSG und Vereinbarungen, die die Verpflichtung begründen, vertrauliche Informationen aus anderen Mandaten zu offenbaren oder unangemeldete Kontrollen in Kanzleiräumlichkeiten zu dulden, sind mit der (strafbewehrten, § 203 StGB!) anwaltlichen Verschwiegenheitsverpflichtung stets unvereinbar und damit unzulässig (im Einzelnen hier)!

Ihr

Dr. Christian Lemke
Präsident