HANSEATISCHE RECHTSANWALTSKAMMER HAMBURG
Ausgabe 3/2023 vom 1. Juni 2023

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – Kanzleien als „Zulieferer“?

Am 1.1.2023 trat das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Kraft. Es stellt sich die Frage, ob Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, wenn sie Rechtsdienstleistungen für ein Unternehmen erbringen, Teil der Lieferkette des beratenden Unternehmens werden. So interpretiert erwarten solche Unternehmen von ihren Rechtsberatern bei Mandatsabschluss nicht selten die umfangreiche Unterwerfung unter ihre Vorgaben nach dem LkSG, insbesondere die Gewährung von (unangekündigten) Zutritts- und Einsichtsrechten in der Kanzlei. Damit entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem LkSG und den berufsrechtlichen Plichten von Rechtsanwälten. Der Kammervorstand vertritt dazu folgende Auffassung:

  • Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind nicht Bestandteil einer Lieferkette, da sie weder unter den Begriff des Unmittelbaren Zulieferers (§ 2 Abs. 7 LkSG) noch unter den Begriff des Mittelbaren Zulieferers (§ 2 Abs. 8 LkSG) fallen. Voraussetzung ist in beiden Fällen, dass „dessen Zulieferungen für die Herstellung des Produktes des Unternehmens oder zur Erbringung und Inanspruchnahme der betreffenden Dienstleistung notwendig sind“. Anwaltliche Rechtsdienstleistungen sind aber weder für die Herstellung von Produkten noch für die Erbringung von Dienstleistungen notwendig, die dem LkSG unterworfene Unternehmen gegenüber ihren Kunden erbringen.

  • Es steht Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten frei, sich gegenüber ihrer Mandantschaft zu verpflichten, bestimmt Auskünfte zu erteilen, sofern diese Auskünfte gesetzes- und berufsrechtskonform sind. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die Auskünfte vertrauliche Informationen aus anderen Mandaten enthalten.

  • Es ist Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten nicht erlaubt, der Mandantschaft Zugang zu ihren Einrichtungen zu gewähren, damit diese unangemeldete (oder auch angemeldete) Kontrollen durchführen können. Derartige Kontrollen bergen die erhebliche Gefahr, dass die die Kontrolle durchführende Mandantschaft vertrauliche Informationen aus anderen Mandaten erlangt, was mit den Vertraulichkeitspflichten der Anwaltschaft unvereinbar ist.

Die vorstehenden Auskünfte bedeuten nicht, dass das LkSG auf Anwaltskanzleien grundsätzlich keine Anwendung findet. Wenn Anwaltskanzleien die relevante Größe von derzeit 3.000 Arbeitnehmern bzw. ab 2024 von 1.000 Arbeitnehmern überschreiten, müssen sie beim Einkauf von Produkten und Dienstleistungen, die sie für die Erbringung ihrer Beratungsleistungen benötigen (z.B. PCs), die sich aus dem LkSG ergebenden Pflichten beachten.