HANSEATISCHE RECHTSANWALTSKAMMER HAMBURG
Ausgabe 2/2023 vom 27. März 2023

III. Tätigkeit des Vorstands im Berichtsjahr

15. Berufsrecht

In 2022 sind umfassende Änderungen der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) in Kraft getreten, namentlich die „große BRAO-Reform“ am 1.8.2022 durch das „Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe“. Praktisch keine Bestimmung der BRAO ist unverändert geblieben. Es gab grundlegende Änderungen, insbesondere die Zulassungspflicht der Berufsausübungsgesellschaften.

„Berufsausübungsgesellschaft“ ist dabei jeder Zusammenschluss einer Rechtsanwältin/eines Rechtsanwalts mit anderen „zur gemeinschaftlichen Ausübung ihres Berufs“, § 59b Abs.1 Satz 1 BRAO. Das gilt unabhängig von der Rechtsform: es gilt also für die 2-Mann/Frau-Sozietät in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts genauso wie für die internationale Sozietät mit 2.000 Berufsträgern.

Dabei dürfen sich Anwältinnen und Anwälte mit vielen Berufen zusammentun – der Kreis der „sozietätsfähigen“ Berufe wurde deutlich erweitert- nämlich auf alle „freien“ Berufe.

Grundsätzlich sind alle Berufsausübungsgesellschaften zulassungsbedürftig: sie müssen also einen Antrag auf Zulassung bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer stellen; eine Ausnahme gilt nur für „Personengesellschaften, bei denen keine Beschränkung der Haftung der natürlichen Personen vorliegt und denen als Gesellschafter und als Mitglieder der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane ausschließlich Rechtsanwälte oder Angehörige eines in § 59c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Berufs angehören“, § 59f Abs.1 Satz 2 BRAO. Ein Antrag muss auch nicht von „Rechtsanwaltsgesellschaften“ gestellt werden, die vor dem 1.8.2022 als solche zugelassen waren,  § 209a Abs.1 BRAO; sie waren schon bisher Mitglieder der Kammer und bleiben es auch.

Alle Berufsausübungsgesellschaften, die am 1.8.2022 bestanden und zulassungsbedürftig waren, mussten den Zulassungsantrag bis zum 1.11.2022 stellen, § 209a Abs.2 Satz 1 BRAO.

87 Berufsausübungsgesellschaften waren schon vor dem 1.8.2022 als „Rechtsanwaltsgesellschaften“ Mitglied der Kammer. Bis März 2023 sind 276 Anträge von Berufsausübungsgesellschaften auf Zulassung bei der Kammer eingegangen; davon waren bis März 2023 168 als Berufsausübungsgesellschaften zugelassen.

Alle Berufsausübungsgesellschaften benötigen – zusätzlich zu der Berufshaftpflichtversicherung ihrer Mitglieder – eine eigene Berufshaftpflichtversicherung, § 59n BRAO: das gilt unabhängig davon, ob die Berufsausübungsgesellschaft zugelassen ist oder zulassungsbedürftig ist.

Diese Änderung betrifft die Mehrheit unserer Mitglieder – nämlich alle, die ihren Beruf nicht alleine ausüben. Für sie alle besteht, zumindest mit Blick auf die gesonderte Vermögensschadenhaftpflichtversicherung, Handlungsbedarf.

Für weitere Informationen besuchen Sie den Bereich „Berufsausübungsgesellschaften“ auf unserer Internetseite. Die Seite wird ständig aktualisiert und erweitert. Dort finden Sie auch ein Formular für den Zulassungsantrag.

Durch die große BRAO-Reform ist der deutsche Rechtsberatungsmarkt auch weiter für ausländische Gesellschaften geöffnet worden.

Als ausländisch gelten nur solche Gesellschafen, die einem Gesellschaftsrecht eines Staates unterliegen, der nicht Mitglied der Europäischen Union oder Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, § 59b Abs. 2 Satz 2 BRAO. Alle Gesellschaften, die dem Gesellschaftsrechts eines Staates aus der EU oder dem EWR unterliegen, gelten also als „inländisch“.

Aber auch die ausländischen Berufsausübungsgesellschaften dürfen in Deutschland Rechtsdienstleistungen anbieten – wenn sie ihren Sitz in einem Mitgliedsstaat der Welthandelsorganisation haben und über eine Zweigniederlassung in Deutschland verfügen. Sie benötigen dafür allerdings die Zulassung von einer deutschen Rechtsanwaltskammer und unterliegen sodann der Aufsicht dieser Kammer. Die ausländische Berufsausübungsgesellschaften dürfen auch im deutschen Recht beraten – allerdings nur, wenn deutsche Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte a) an der Gesellschaft als Gesellschafter beteiligt sind (wobei ein(!) deutscher Gesellschafter genügt) und b) der Geschäftsleitung der deutschen Zweigniederlassung in vertretungs- und geschäftsführungsbefugter Zahl angehören, § 207a Abs.4 BRAO.

Die große BRAO-Reform hat auch Änderungen der Regelungen zu Interessenkonflikten, die Pflicht zur (Fort-)Bildung im Berufsrecht in § 43f BRAO, die Erweiterung der Befugnis von Syndikusrechtsanwälten zur Beratung von Kunden des Arbeitgebers (§ 46 Abs.6 BRAO) und die erweitere Zulässigkeit von Erfolgshonoraren gebracht. 

Auch die von der Satzungsversammlung verantworteten Berufsordnung (BORA) und Fachanwaltsordnung (FAO) haben sich in 2022 geändert. Zu nennen sind hier insbesondere die Konkretisierung des § 43f BRAO zu den erforderlichen Kenntnissen im Berufsrecht in § 5a BORA und die Aufhebung der Pflicht, in jedem Fall Sammelanderkonten einzurichten (Streichung des § 4 Abs.1 BORA). Die BORA ist weiter im Wandel: so hat die Satzungsversammlung bereits besondere Anforderungen für das Führen von Sammelanderkonten beschlossen, um zu verhindern, dass die Banken diese Konten als besonders risikoreich mit Blick auf Geldwäsche betrachten und diese Konten damit für Banken so teuer würden, dass sie sie nicht mehr anbieten würden. Wir verweisen dazu auf den Abschnitt „Satzungsversammlung“.

Die Abgrenzung anwaltlicher Tätigkeit zu den Angeboten nicht-anwaltlicher Anbieter bildete auch in 2022 wieder einen Schwerpunkt der berufspolitischen Diskussion. Allerdings haben die jüngsten Gesetzesänderungen und die Rechtsprechung (siehe dazu den Geschäftsbericht 2021 in III. Tätigkeit des Vorstands im Berichtsjahr, 11. unerlaubte Rechtsdienstleistung/wettbewerbsrechtliche Verfahren) einige Klärung – wenn auch zulasten der Anwaltschaft – gebracht.

Im Übrigen sei hier auch auf den Abschnitt „Rechtspolitik“ verwiesen.

Für detailliertere Informationen zu den einzelnen Bereichen muss hier auf die Literatur, namentlich in den Fachzeitschriften, verwiesen werden.

Einen zusammenfassenden Überblick gibt z.B. Deckenbrock in NJW 2022, 3688: „Die Entwicklung des anwaltlichen Berufsrechts“.