HANSEATISCHE RECHTSANWALTSKAMMER HAMBURG
Ausgabe 3/2022 vom 2. Juni 2022

Schlichtung – die zwei Ebenen einer möglichen Einigung

Ein Gastbeitrag der Schlichterin der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft Frau Elisabeth Mette

Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die sich zur Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren entschließen, erwarten von der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft eine kompetente und schnelle Lösung des Konflikts mit der Mandantschaft um Gebühren oder Schadensersatz. Dazu gehört, dass die Schlichtungsstelle den Sachverhalt zügig ermittelt und rasch einen wohlbegründeten Schlichtungsvorschlag unterbreitet, der auf alle Argumente eingeht und eine sorgfältige juristische Würdigung enthält. In manchen Fällen aber lassen die Parteien eine hohe Einigungsbereitschaft erkennen und wünschen eine weitere Abkürzung des Verfahrens.

Kann die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft diesen unterschiedlichen Erwartungen gerecht werden?

Die Einigungsvorschläge der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft werden auf zwei unterschiedlichen Grundlagen unterbreitet:

1. Auf der Basis einer fundierten rechtlichen Würdigung

Seit über zehn Jahren beweist die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft, dass sie mit überzeugenden Vorschlägen Streitigkeiten zügig lösen kann. Ihre ausführlich begründeten und am geltenden Recht orientierten Schlichtungsvorschläge halten den kritischen Blicken der Beteiligten stand. Zuletzt belief sich die Dauer der Verfahren vom Eingang der vollständigen Schlichtungsakte bis zur Vorlage des Schlichtungsvorschlags auf 55 Tage und die Annahmequote betrug 62,5%. So gelingt es etwa häufig, die Mandantschaft von der Korrektheit der Honorarrechnung zu überzeugen, weil sie erstmals über die Struktur des RVG aufgeklärt wird. Und nicht selten decken die sorgfältigen Prüfungen der erfahrenen juristischen Sachbearbeiter auf, dass keine der beiden Streitparteien zu 100% Recht hat. Auch in den Fallgestaltungen, in denen wegen Schlechtleistung Schadensersatz geltend gemacht wird, können ausführliche Prozessrisikoabwägungen zum Abschluss eines Vergleichs führen. Schlichtungsvorschläge auf der Basis einer fundierten juristischen Würdigung sind daher für die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft typisch, sie fühlt sich hoher juristischer Präzision verpflichtet.

2. Auf der Basis einer überschlägigen Billigkeitsprüfung

Zunehmend etabliert sich in der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft jedoch eine weitere Art der Konfliktlösung. Veranlassung dazu gab und gibt der ausdrückliche Wunsch der Parteien nach einer raschen Einigung ohne detaillierte und damit längerdauernde juristische Würdigung. Der daraus resultierende Vorschlag zur Güte orientiert sich an den Vorstellungen der Parteien, einer vorläufigen rechtlichen Einschätzung und Erwägungen der Plausibilität und Billigkeit. Der Vorschlag zur Güte wird nur kurz begründet. Im Fall seiner Ablehnung wird angeboten, einen ausführlich begründeten Schlichtungsvorschlag zu unterbreiten. Die Erfahrung lehrt, dass Vorschläge zur Güte eine hohe Annahmequote haben. Voraussetzung ist allerdings, dass beide Parteien im Interesse einer Verfahrensbeschleunigung in hohem Maß vergleichsbereit sind und dies der Schlichtungsstelle kundtun.

Schlichtung ist immer noch eine weithin unbekannte Konfliktlösungsmethode; umso wichtiger erscheint mir, sie entsprechend den Interessen der Parteien anzupassen und weiter zu entwickeln. Das Angebot einer gestuften Prüfung trägt letztlich zur Stärkung der Parteiautonomie bei, die zu den Kernelementen jeder alternativen Streitbeilegung zählt.

Elisabeth Mette
Schlichterin der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft


Foto: Foto Kirsch

Weiterführende Links:
Homepage der Schlichtungsstelle der Anwaltschaft