HANSEATISCHE RECHTSANWALTSKAMMER HAMBURG
Ausgabe 3/2022 vom 2. Juni 2022

Pflicht zur elektronischen Einreichung auch bei Mehrfachzulassung als RA, StB und WP

Die seit dem 1.1.2022 nach den einzelnen Verfahrensordnungen bestehende Pflicht zur Einreichung elektronischer Dokumente gilt für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten auch dann, wenn sie zugleich als Steuerberater/in oder Wirtschaftsprüfer/in zugelassen sind und nur in diesen, letztgenannten Funktionen handeln wollen. Diese Personengruppe kann also nicht argumentieren, sie würden im konkreten Fall nur als Steuerberater/in oder Wirtschaftsprüfer/in und nicht als Rechtsanwalt/Rechtsanwältin agieren und müssten sich daher an die Pflicht zur Einreichung elektronischer Dokumente nicht halten.

Im konkreten Fall wurde beim Finanzgericht am 3.2.2022 ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eines geänderten Einkommenssteuerbescheides lediglich per Telefax eingereicht. Die für diesen Antrag bevollmächtigte Person war sowohl Rechtsanwalt als auch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer.

Mit gerichtlicher Eingangsbestätigung erteilte hierauf das Finanzgericht den Hinweis, dass der § 52d Finanzgerichtsordnung (FGO) eine Nutzungspflicht des sog. elektronischen Rechtsverkehrs u.a. für Rechtsanwälte vorsehe. Hiernach seien vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Daher läge der Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO bisher nicht formgerecht vor. Das Finanzgericht gab zudem die Möglichkeit, den Mangel der Form durch Einreichung in der vorgesehenen elektronischen Form zu heilen. Gleichwohl äußerte sich der Bevollmächtigte hierzu nicht und stellte auch keinen Antrag in elektronischer Form.

Das Finanzgericht wies daher per Beschluss den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als unzulässig zurück, da er nicht als elektronisches Dokument übermittelt worden sei. Die Schriftform werde im Anwendungsbereich des § 52d FGO durch die elektronische Form verdrängt. Gem. § 52d Satz 1 FGO seien vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Hiernach sei der Bevollmächtigte verpflichtet, den Antrag gem. § 69 Abs. 3 FGO als elektronisches Dokument zu übermitteln; das Fax entspräche dem ersichtlich nicht.

Der Bevollmächtigte sei auch Verpflichteter des § 52d FGO, denn die Norm knüpfe allein an den Status (Zulassung) als Rechtsanwalt an. Dass der Bevollmächtigte zugleich als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zugelassen ist, ändere an der Pflicht zur elektronischen Übermittlung nach § 52d FGO nichts. Er könne sich nicht darauf berufen, dass eine Nutzungspflicht für Steuerberater noch nicht bestehe.

Soweit teilweise vertreten werde, dass bei einer Mehrfachzulassung ein Bevollmächtigter als Rechtsanwalt zwar unter die Nutzungspflicht falle, er aber „in Eigenschaft als Steuerberater“ erst ab 2023 unter die aktive Nutzungspflicht falle, könne dem nicht gefolgt werden. Die Berufsausübungspflichten als Rechtsanwalt seien nicht teilbar und knüpften allein an die Zulassung als Rechtsanwalt an. Soweit in der Beziehung zum Mandanten (Auftraggeber) bspw. eine Wahlfreiheit hinsichtlich der Abrechnung nach dem RVG bzw. der StBGebV vertreten werde, wenn der Auftraggeber entsprechend informiert wird und bei der Frage der Vorschussrückforderung entsprechend auf den Schwerpunkt der vertraglichen Verpflichtung abzustellen sei, sei dies nicht auf die hier zu entscheidende Frage zu übertragen. Eine Wahlfreiheit widerspräche dem Sinn und Zweck der aktiven Nutzungspflicht, denn die Nutzungspflicht soll die Digitalisierung der Justiz allgemein fördern (möglichst umfassende und medienbruchfreie Kommunikation). Eine Wahlfreiheit werde entsprechend auch bei Syndikusrechtsanwälten von Verbänden in der Arbeitsgerichtsbarkeit verneint. Letztlich spräche gegen eine Wahlfreiheit, dass die Norm selbst nur eine enge technische Ausnahme vorsieht, falls die Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend unmöglich ist. Eine dauerhafte Mehrfachzulassung könne einem vorübergehenden Ausfall der Technik aber nicht gleichgestellt werden.

FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8.3.2022 – 8 V 8020/22