HANSEATISCHE RECHTSANWALTSKAMMER HAMBURG
Ausgabe 3/2022 vom 2. Juni 2022

Vorsicht bei Abmahnschreiben per E-Mail-Anhang

Ein nur per E-Mail als Dateianhang versendetes Abmahnschreiben ist nach Auffassung des OLG Hamm in der Regel und erst dann zugegangen, wenn der Empfänger der E-Mail den Dateianhang auch tatsächlich geöffnet hat. Diese tatsächliche Öffnung des Dateianhangs bestritt aber der Verfügungsbeklagte in einer Wettbewerbssache erfolgreich. Die Folge: Trotz des Erlasses der vom Verfügungskläger beantragten einstweiligen Verfügung bleibt der Verfügungskläger auf den Kosten des Rechtsstreits sitzen.

Nach Auffassung des OLG Hamm seien die Kosten des Rechtsstreits in entsprechender Anwendung des § 93 ZPO dem Verfügungskläger aufzuerlegen. Denn der Verfügungsbeklagte habe dem Verfügungskläger durch sein Verhalten keine Veranlassung zur Anbringung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegeben. Insbesondere könne ihm nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe auf die Abmahnung des Verfügungsklägers nicht reagiert. Werde ein Abmahnschreiben lediglich als Dateianhang zu einer E-Mail versandt, ist es nur und erst dann zugegangen, wenn der E-Mail-Empfänger den Dateianhang auch tatsächlich geöffnet hat. Angesichts des allgemeinen Virenrisikos könne von dem Empfänger nicht verlangt werden, E-Mail-Anhänge eines ihm unbekannten Absenders zu öffnen. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob die E-Mail im E-Mail-Postfach eingegangen ist oder im Spam-Filter liege. Jedenfalls habe der Verfügungsbeklagte durch Vorlage seiner eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht, von der E-Mails des - ihm zuvor nicht bekannten - Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers keine Kenntnis erlangt und dementsprechend auch den Dateianhang mit dem Abmahnschreiben nicht geöffnet zu haben. Insofern sei das anwaltliche Abmahnschreiben dem Verfügungsbeklagten nicht zugegangen.

OLG Hamm, Beschluss vom 9.3.2022 – 4 W 119/20