HANSEATISCHE RECHTSANWALTSKAMMER HAMBURG
Ausgabe 4/2023 vom 31. August 2023

Neues Gesetz für Whistleblower in Kraft!

Pflichten nach dem Hinweisgeberschutzgesetz (HinschG) auch für Kanzleien zu beachten!

Am 2.7.2023 ist das Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden vom 31.5.2023 (BGBl. I Nr. 140) – kurz das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) – in Kraft getreten.

Dieses ist ab sofort auch für Kanzleien ab 250 Beschäftigte umzusetzen, für Kanzleien ab 50 bis 249 Beschäftigte spätestens ab dem 17.12.2023 (§ 42 Abs. 1 HinSchG).

Was regelt das HinSchG?

Das HinSchG regelt den Schutz von natürlichen Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die nach dem HinSchG vorgesehenen Meldestellen melden oder offenlegen. Darüber hinaus werden (dritte) Personen geschützt, die Gegenstand einer Meldung oder Offenlegung sind, sowie sonstige Personen, die von einer Meldung oder Offenlegung betroffen sind.

Ziel des Gesetzes sei es, den bislang lückenhaften und unzureichenden Schutz hinweisgebender Personen zu verbessern. Hinweisgebende würden einen wichtigen Beitrag zur Aufdeckung und Ahndung von Missständen leisten. In der Vergangenheit habe es immer wieder Fälle gegeben, in denen Hinweisgeber infolge einer Meldung oder Offenlegung von Missständen benachteiligt wurden. Mit dem Gesetz soll das Ziel eines verbesserten Hinweisgeberschutzes mit den Interessen von Unternehmen und öffentlicher Verwaltung, die zum Ergreifen von Hinweisgeberschutzmaßnahmen verpflichtet werden, in Einklang gebracht werden.

Kanzleien mit 250 oder mehr Beschäftigten müssen ab sofort interne Meldestellen für Hinweisgebende einrichten, Kanzleien ab 50 bis 249 Beschäftigte haben dafür noch bis zum 17.12.2023 Zeit.

Hinweisgebende, die Verstöße aus Kanzleien melden, die kleiner als 50 Beschäftigte sind, sind auch geschützt: Sie können sich ab sofort an die eingerichteten externen Stellen (beim BMJ, etc, siehe unten) wenden.

Was kann gemeldet werden?

Meldefähig sind gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HinSchG alle Verstöße gegen deutsches Strafrecht oder gegen Bußgeldvorschriften, wenn die verletzte Norm dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient. Meldefähig sind zudem gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 HinGSchG Verstöße gegen Vorschriften

- aus den Bereichen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes,

- gegen das Mindestlohngesetz,

- zur Produktsicherheit und -konformität,

- zum Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation, zum Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation, zum Schutz personenbezogener Daten im Bereich der elektronischen Kommunikation, etc.,

- zum Schutz personenbezogener Daten,

- gegen das Geldwäschegesetz (GwG),

- Hinweise auf mangelnde Verfassungstreue von Beschäftigten im öffentlichen Dienst

sowie viele weitere Verstöße, die in Nr. 3 abschließend aufgezählt sind.

Voraussetzung ist, dass die hinweisgebende Person die Information im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit erlangt hat (§ 3 Abs. 2 und Abs. 3 HinSchG).

Einrichtung von kanzleiinternen Meldestellen erforderlich

Damit Hinweisgebende (Whistleblower) Missstände melden können, müssen interne und externe Meldestellen eingerichtet werden. Die Hinweise sollen mündlich, schriftlich oder auf Wunsch auch persönlich abgegeben werden können. Bei allen Meldewegen muss die Vertraulichkeit der hinweisgebenden Person sowie Dritter geschützt sein.

Alle Behörden und Unternehmen ab 250 Beschäftigte müssen daher ab sofort solche interne Meldestellen schaffen.

Für das Nichteinrichten- oder betreiben einer erforderlichen interne Meldestelle drohen gem. § 40 Abs. 6 HinSchG empfindliche Geldbußen von bis zu 20.000 €. Falls eine Meldung behindert wird oder gegen Hinweisgebende Repressalien ergriffen werden, drohen sogar Geldbußen bis zu 100.000 €!

Externe Meldestellen des Bundes und der Länder

Folgende externe Meldestellen des Bundes (und der Länder) wurden eingerichtet:

- Die allgemeine Meldestelle für sämtliche Verstöße gem. § 19 Abs. 1 HinSchG wurde beim Bundesamt für Justiz (BfJ) errichtet.

- Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist gem. § 22 HinSchG für Verstöße im Finanzsektor (z.B. Banken, Finanzdienstleister, private Versicherungsunternehmen, Kapitalverwaltungsgesellschaften, Wertpapierhandel) zuständig, weshalb die BaFin eine eigene Meldestelle für diesen Sektor eingerichtet hat.

- Das Bundeskartellamt hat eine externe Meldestelle für Verstöße nach Maßgabe des 23 HinSchG errichtet (v.a. Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht, GWB, und solche gegen den EU Digital Markets Act (DMA)).

- Auch die Länder können eigene externe Meldestellen einrichten (§ 20 HinSchG). Die externe Meldestelle für Hamburg wurde bei der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz eingerichtet.

Hinweisgeber haben gem. § 7 Abs. 1 HinSchG die Wahl, ob sie die interne Meldestelle in ihrem Unternehmen oder eine externe Meldestelle des Bundes bzw. der Länder wählen.

Was passiert, wenn die Meldestelle einen Hinweis erhalten hat?

Die interne Meldestelle muss der hinweisgebenden Person nach Maßgabe von § 7 HinSchG innerhalb von 7 Tagen den Eingang der Meldung bestätigen. Innerhalb von 3 Monaten muss die Meldestelle die hinweisgebende Person über die ergriffenen Maßnahmen nach § 18 HinSchG informieren (z.B. Durchführung von internen Untersuchungen bei dem Beschäftigungsgeber oder bei der jeweiligen Organisationseinheit, betroffene Personen und Arbeitseinheiten kontaktieren, die hinweisgebende Person an andere zuständige Stellen verweisen, das Verfahren aus Mangel an Beweisen oder aus anderen Gründen abschließen, das Verfahren zwecks weiterer Untersuchungen an eine bei dem Beschäftigungsgeber oder bei der jeweiligen Organisationseinheit für interne Ermittlungen zuständige Arbeitseinheit oder eine zuständige Behörde abgeben).

Ausnahme für (hinweisgebende) Rechtsanwälte

Die anwaltliche Verschwiegenheit geht dem HinSchG grundsätzlich vor:

Eine Meldung oder Offenlegung fällt gem. § 5 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 5 HinSchG nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes, wenn (hinweisgebenden) Rechtsanwälten


- Pflichten zur Wahrung der Verschwiegenheit,

- aufgrund eines Vertragsverhältnisses einschließlich der gemeinschaftlichen Berufsausübung, einer berufsvorbereitenden Tätigkeit oder einer sonstigen Hilfstätigkeit an der beruflichen Tätigkeit der Kanzlei mitwirken,

entgegenstehen. Rechtsanwälte müssen dann (als hinweisgebende Person) keine Meldung machen oder Informationen offenlegen.

Schutz der hinweisgebenden Personen (§§ 33 ff. HinSchG)

Geschützt werden nur Hinweisgebende, die in gutem Glauben sind, dass ihre Meldung der Wahrheit entspricht (§ 36 Abs. 1 HinschG). Missbräuchliche Meldungen begründen Schadensersatzansprüche.

§ 36 Abs. 2 HinSchG enthält eine Beweislastumkehr zugunsten der Hinweisgebenden. Sie findet Anwendung, wenn Hinweisgebende sich gegen eine Repressalie zur Wehr setzen und dabei geltend machen, diese infolge einer Meldung oder Offenlegung nach dem HinSchG erlitten zu haben. In diesem Fall muss das Unternehmen darlegen und beweisen, dass es einen anderen Grund für die Benachteiligung gegeben hat.

Repressalien oder auch die Androhung (einschließlich des Versuchs) von solchen gegen Hinweisgebende sind verboten (z.B. Kündigungen des Arbeitsverhältnisses des Hinweisgebers, alle Handlungen und Unterlassungen im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit, die eine Reaktion auf die Meldung sind und durch die der hinweisgebenden Person ein Nachteil entsteht oder entstehen kann). Auch ist es verboten, den Zugang zu Meldestellen zu behindern.

Weitere nützliche Informationen zum neuen HinSchG und praktische Anwendungstipps für Ihre Kanzleiorganisation finden Sie auch in den lesenswerten Artikeln:

- „Das neue Hinweisgeberschutzgesetz" (Pitzer/Zoglowek, AnwBl. 2023, 406)

- „Das Hinweisgeberschutzgesetz in der Kanzleiorganisation“ (Salz/Klugmann, AnwBl. 2023, 412)


(Dieser Beitrag wurde am 31.08.2023, 12:45 Uhr, bearbeitet.)