BGH: Anwaltliche Sorgfaltspflichten beim Versand per beA
Wichtige Hinweise aus der Rechtsprechung
Von Rechtsanwältin Julia von Seltmann, BRAK, Berlin
In der Rechtsprechung kristallisiert sich heraus, dass die Gerichte strenge Anforderungen an die Prüf- und Sorgfaltspflichten der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte beim Versand von Nachrichten über das beA stellen. Diese Anforderungen werden im Folgenden am Beispiel von zwei aktuellen Entscheidungen erläutert.
Der BGH setzte sich in seiner Entscheidung vom 11.5.2021 – VIII ZB 9/20 mit den anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebunden Schriftsätzen per beA auseinander. Er stellte fest, dass die anwaltlichen Sorgfaltspflichten denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax entsprechen. Insofern sei es unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen. Die Überprüfung der ordnungsgemäßen Übermittlung erfordere dabei die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a V 2 ZPO erteilt worden sei. Habe der Rechtsanwalt eine solche Eingangsbestätigung erhalten, bestehe Sicherheit darüber, dass der Sendevorgang erfolgreich gewesen sei. Bleibe sie dagegen aus, müsse dies den Rechtsanwalt zur Überprüfung und ggf. erneuten Übermittlung veranlassen.
Doch damit nicht genug. Der BGH äußerte sich auch zum arbeitsteiligen Arbeiten in der Kanzlei: Versende ein Rechtsanwalt fristwahrende Schriftsätze über das beA an das Gericht, habe er in seiner Kanzlei das zuständige Personal dahingehend anzuweisen, dass stets der Erhalt der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 130a V 2 ZPO zu kontrollieren sei. Er habe zudem diesbezüglich zumindest stichprobenweise Überprüfungen durchzuführen.
Festzuhalten ist somit, dass es die anwaltliche Sorgfaltspflicht gebietet, den Versandvorgang zu überprüfen. Der BGH klärt in seinem Beschluss auch, wie dies zu erfolgen habe, nämlich durch die Überprüfung der Eingangsbestätigung des Gerichts. Deshalb reiche auch die einfache Anweisung an das Büropersonal, dass eine Frist aus dem Fristenkalender erst nach Überprüfung der Erledigung und Anweisung durch den Rechtsanwalt oder die Rechtsanwältin gestrichen werden dürfe, nicht aus. Erforderlich sei auch eine Anweisung zum „Wie“, also dahingehend, dass stets der Erhalt der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 130a V 2 ZPO zu kontrollieren ist, bevor die Frist gestrichen wird.
Wie stellt sich der erfolgreiche Versandvorgang in der Praxis der beA-Webanwendung dar?
1. Öffnen Sie die Nachricht, deren erfolgreichen Versand Sie überprüfen möchten, in Ihrem Ordner „Gesendet“. Oberhalb der Visitenkarte erscheint eine Zeile, die Auskunft über den Versandstatus gibt:
Abb. 1: Nach dem Öffnen einer Nachricht, deren erfolgreichen Versand Sie überprüfen möchten, erscheint diese Zeile.
War der Versand der Nachricht erfolgreich, ist sie also auf der Empfangseinrichtung des Gerichts eingegangen, sendet das Gericht eine automatisierte Eingangsbestätigung zurück. Diese ist daran zu erkennen, dass unter dem Punkt „Meldungstext“ der Eintrag „Request executed“ und unter dem Punkt „Übermittlungsstatus“ die Meldung „Erfolgreich“ erscheint. Zudem ist das Zugangsdatum mit Uhrzeit vermerkt.
2. Wenn Sie das Lupensymbol am Ende der Zeile anklicken, erhalten Sie die „vollständige Zustellantwort“. Auch diese beinhaltet das Zugangsdatum mit Uhrzeit:
Abb. 2: Vollständige Zustellantwort
Nach der Entscheidung des BGH empfiehlt es sich, das Kanzleipersonal anzuweisen, dass auf die oben beschriebene Art und Weise die Versandkontrolle erfolgt und erst nach dem bestätigten erfolgreichen Versand etwaige Fristen im Fristenkalender gestrichen werden. Bitte vergessen Sie auch nicht, regelmäßig Stichproben durchzuführen, dass Ihre Anweisungen eingehalten werden.
Wann ist eine Signaturprüfung beim Nachrichtenversand erforderlich?
Die Bestätigung über den erfolgreichen Versand der Nachricht reicht indes dann nicht aus, wenn elektronische Dokumente übermittelt werden, die der Schriftform unterliegen. In diesen Fällen ist zusätzlich beim Versand von Nachrichten die Prüfung erforderlich, ob die Schriftform eingehalten wurde. Dies ist der Fall, wenn der Schriftsatz eine gültige qualifizierte elektronische Signatur trägt oder wenn die Nachricht über einen sicheren Übermittlungsweg versandt wird.
Das OLG Braunschweig wies in seinem Beschluss vom 18.11.2020 – 11 U 315/20, darauf hin, dass der Rechtsanwalt sich vor der Absendung einer Berufungsbegründung vergewissern müsse, dass diese eine gültige qualifizierte elektronische Signatur trage, wenn er den Schriftsatz nicht selbst über sein beA eingereicht habe und es daher an einer Versendung über einen sicheren Übermittlungsweg fehle. Dies gelte auch dann, wenn er beispielsweise eine Kanzleisoftware nutze. Dies entbinde den Rechtsanwalt nicht von der Verpflichtung, Dokumente zur Rechtsmitteleinlegung und -begründung auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit hin zu überprüfen.
Die Signaturprüfung in der beA-Webanwendung
1. Öffnen Sie die Nachricht, die das signierte elektronische Dokument enthält. Die Signaturprüfung kann auch nach dem Versand der Nachricht erfolgen, wenn die Nachricht im Ordner „Gesendet“ geöffnet wird.
2. Klicken Sie in der Nachrichtendarstellung auf das Feld „Signatur prüfen“.
Abb. 3: Feld „Signatur prüfen“
Es wird dann ein Prüfprotokoll mit allen Angaben zu den in der Nachricht enthaltenen Signaturen angezeigt.
Was ist im Fehlerfall zu tun?
Sollte entweder der Versand oder die Signaturprüfung kein erfolgreiches Ergebnis liefern, muss der Nachrichtenversand erneut angestoßen werden, bevor die Frist als erledigt gestrichen werden kann. Bei einem Signaturfehler bietet es sich an, nicht einfach nur die Nachricht erneut zu versenden, sondern die qualifizierte elektronische Signatur an den Schriftsatz nochmals anzubringen. Auf jeden Fall muss auch beim erneut angestoßenen Nachrichtenversand und einer nochmals angebrachten Signatur jeweils wieder die Überprüfung des erfolgreichen Versands und der gültigen Signatur durchgeführt werden.
Technische Anpassungen im beA
Nachdem nun erste höchstrichterliche Rechtsprechung dazu vorliegt, welche Sorgfaltspflichten zu beachten sind, wird die BRAK in der laufenden Weiterentwicklung darauf achten, diese Anforderungen technisch so umzusetzen, dass ihre Einhaltung Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten auf benutzerfreundlichere Art und Weise erleichtert wird. Zu denken ist beispielsweise an eine automatische Signaturprüfung beim Nachrichtenversand und eindeutigere Fehlermeldungen.