HANSEATISCHE RECHTSANWALTSKAMMER HAMBURG
Ausgabe 4/2021 vom 26. August 2021

EU-Justizbarometer 2021

Die Europäische Kommission hat am 8.7.2021 das EU-Justizbarometer 2021 veröffentlicht. Das jährlich erscheinende Barometer beinhaltet einen vergleichenden Überblick über Effizienz, Qualität und Unabhängigkeit der Justizsysteme in allen EU-Mitgliedstaaten. Besonderes Gewicht legt das EU-Justizbarometer in der diesjährigen Ausgabe auf die Digitalisierung der Justiz. Auch enthält es erstmals einen vergleichenden Überblick über die Unabhängigkeit von Rechtsanwaltskammern in der EU.

Inhaltlich konstatiert das EU-Justizbarometer unter anderem, dass in zwei Dritteln der Mitgliedstaaten sich die Unabhängigkeit der Justiz seit 2016 nach Ansicht der Öffentlichkeit verbessert hat. Jedoch wird in etwa zwei Fünfteln der Mitgliedstaaten die Unabhängigkeit der Justiz skeptischer beurteilt. Der am
häufigsten genannte Grund für die als unzulänglich wahrgenommene Unabhängigkeit von Gerichten und Richtern war die Einmischung beziehungsweise der Druck durch Regierungen und Politiker, gefolgt von Druck durch Wirtschaftsakteure oder andere Interessenträger. Was die Digitalisierung der Justiz betrifft, zeigen die Ergebnisse, dass diese durch die Coronapandemie beeinflusst wurde. So konnten im letzten Jahr in fast allen Justizsystemen in der EU Videokonferenzsysteme genutzt werden und dem Personal in den allermeisten EU-Mitgliedstaaten war es möglich im Homeoffice zu arbeiten. Das Justizbarometer 2021 enthält darüber hinaus neue Indikatoren zur Digitalisierung der Justiz, zur Unabhängigkeit der obersten nationalen Gerichte und zur Autonomie von Strafverfolgungsbehörden. Insgesamt zeigt das EU-Justizbarometer eine anhaltende Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Justizsystems in der überwiegenden Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten auf.

Das EU-Justizbarometer, das seit 2013 erscheint, ist ein vergleichendes Instrument, das alle Mitgliedstaaten erfasst. Unabhängig vom Modell des nationalen Justizsystems oder der jeweiligen Rechtstradition dient es zur Überwachung von Justizreformen und ihren Auswirkungen in den Mitgliedstaaten. Das EU-Justizbarometer gibt einen jährlichen Überblick über die für die Unabhängigkeit, die Qualität und die Effizienz der für die Justiz maßgeblichen Indikatoren, die wichtige Parameter für ein leistungsfähiges Justizsystem sind. Das Justizbarometer bildet darüber hinaus einen wesentlichen Bestandteil des Instrumentariums der Kommission zur Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit in Europa.

Die BRAK stellt der Kommission gemeinsam mit den Rechtsanwaltskammern der EU-Mitgliedstaaten durch Rat der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) Datenmaterial zur Situation der Anwaltschaft in der EU zur Verfügung. Die Auswertung der eingereichten Daten geschieht durch die Kommission.
Dem Wunsch der BRAK nach einer Darstellung der Unabhängigkeit der Anwaltschaft in der Europäischen Union ist die Kommission nachgekommen, indem sie erstmals die Unabhängigkeit der Rechtsanwaltskammern in einer vergleichenden Grafik darstellt. Im europäischen Vergleich belegt Deutschland dabei einen Platz im Mittelfeld. In den zur Beurteilung relevanten Kriterien schnitt Deutschland im Vergleich zu den erstplatzierten Staaten mit einer leicht reduzierten Punktzahl im Hinblick auf die Kategorien „das Gremium, das das Disziplinarverfahren einleitet ist unabhängig“, „keine Aufsichtsfunktion durch die Exekutive“ und „Gewährleistung der Vertraulichkeit des Verhältnisses zwischen Rechtsanwalt und Mandant“ ab. Die höchstmögliche Punktzahl erreichte Deutschland in den Kategorien „Disziplinarmaßnahmen gegen Rechtsanwälte unterliegen einer gerichtlichen Überprüfung“, „das Gremium das Entscheidungen über Disziplinarverfahren einleitet ist unabhängig“, Entscheidungen über den Zugang zum Beruf unterliegen einer gerichtlichen Überprüfung“, das Gremium, das den Zugang zum Beruf genehmigt, ist unabhängig sowie „Unabhängigkeit der Rechtsanwaltschaft von der Exekutive“. Im Hinblick auf die zu erreichende Gesamtpunktzahl befindet sich Deutschland im oberen Drittel.