HANSEATISCHE RECHTSANWALTSKAMMER HAMBURG
Ausgabe 1/2023 vom 2. Februar 2023

BGH: Pflicht zur elektronischen Einreichung auch für anwaltlichen Insolvenzverwalter

Ein anwaltlicher Insolvenzverwalter ist jedenfalls dann zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht verpflichtet, wenn er Rechtsmittel im Insolvenzverfahren einlegt (Amtlicher Leitsatz).

Ein Rechtsanwalt wurde zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Gegen die Festsetzung seiner Vergütung legte er am 4.1.2022 per Fax und im Original bei dem Insolvenzgericht eine Beschwerdeschrift ein. Auf den Hinweis des Gerichts, dass die elektronische Einreichung des Schriftsatzes obligatorisch sei, entgegnete der Rechtsanwalt, dass eine Pflicht zur Nutzung des elektronischen Übermittlungswegs für ihn als Insolvenzverwalter nicht bestehe.

Nach Auffassung des BGH war die Rechtsmitteleinlegung unter Nichteinhaltung der von § 569 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 130d Satz 1 ZPO vorgeschriebenen Form unwirksam und wahrt die Rechtsmittelfrist folglich nicht. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers solle die Pflicht zur Einreichung elektronischer Dokumente nach § 130d Satz 1 ZPO nicht nur für das Erkenntnisverfahren, sondern umfassend für alle anwaltlichen schriftlichen Anträge und Erklärungen nach der Zivilprozessordnung gelten. Gemäß § 4 Satz 1 InsO gelte dies auch für Rechtsmittel des anwaltlichen Insolvenzverwalters gegenüber dem Gericht entsprechend. Gegen die Ansicht, die eine Anwendung von § 130d ZPO auf den anwaltlichen Insolvenzverwalter generell ablehnt, stritten der Wortlaut der Norm, das systematische Zusammenspiel von § 4 Satz 1 und § 6 InsO sowie Sinn und Zweck von § 130d ZPO. Eine Beschränkung auf den Fall der Vertretung einer Partei durch den Rechtsanwalt ergäbe sich aus dem Wortlaut von § 130d Satz 1 ZPO mithin nicht. Folglich könnten darunter auch im eigenen Namen handelnde anwaltliche Amtsträger wie der Insolvenzverwalter zu subsumieren sein. Zudem ergäbe sich aus § 130d Satz 1 ZPO für den gewöhnlichen Zivilprozess zwingend, dass ein Rechtsanwalt seine Beschwerdeschrift elektronisch einzureichen hat. Die insolvenzrechtlichen Regelungen über die sofortige Beschwerde in § 6 InsO enthielten insoweit keine abweichende Regelung. Entscheidend für die Anwendbarkeit von § 130d Satz 1 ZPO zumindest auf Prozesshandlungen des anwaltlichen Insolvenzverwalters sei schließlich der Sinn und Zweck der Norm. Dieser bestünde darin, durch eine Verpflichtung für alle Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (und Behörden) zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten den elektronischen Rechtsverkehr zu etablieren. Die Rechtfertigung gerade eines Nutzungszwangs ergäbe sich für den Gesetzgeber daraus, dass selbst bei einer freiwilligen Mitwirkung einer Mehrheit von Rechtsanwälten an diesem Ziel die Nichtnutzung durch eine Minderheit immer noch zu erheblichen Druck- und Scanaufwänden insbesondere bei den Gerichten führe. Es sei nicht hinzunehmen, erhebliche Investitionen der Justiz auszulösen, wenn dann nicht die für einen wirtschaftlichen Betrieb erforderliche Nutzung sichergestellt sei. Diese ratio legis lasse die Einbeziehung auch der anwaltlichen Insolvenzverwalter nur als konsequent erscheinen. Insolvenzverwalter hätten als Rechtsanwälte ohnehin ein beA für die elektronische Kommunikation vorzuhalten (§ 31a Abs. 6 BRAO) und nach § 130d Satz 1 ZPO nunmehr auch aktiv zu nutzen.

Der Anwendbarkeit von § 130d ZPO auf den anwaltlichen Insolvenzverwalter stünde auch nicht entgegen, dass dieser dadurch anders als der nichtanwaltliche Insolvenzverwalter behandelt wird, der nach wie vor Prozesshandlungen gegenüber dem Insolvenzgericht schriftlich vornehmen kann, solange er nicht seinerseits einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung betraut. Die sachliche Rechtfertigung für diese unterschiedliche Behandlung läge darin, dass der anwaltliche Insolvenzverwalter ohnehin über ein beA verfügen müsse und auch jenseits des Insolvenzverfahrens einem Zwang zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten unterliege. Im Übrigen kenne die Zivilprozessordnung auch ansonsten Unterschiede in der Form der Einreichung von Schriftsätzen: Jenseits eines Anwaltszwangs stünde es der Naturalpartei frei, solche schriftlich oder - etwa über das eBO - gemäß § 130a ZPO elektronisch an das Gericht zu senden.

BGH, Beschluss vom 24.11.2022 – IX ZB 11/22