Warum Sie Ihre beA-Karte und PIN nicht Ihrer ReFa geben dürfen
Von Rechtsanwältin Dr. Tanja Nitschke, Mag. rer. publ., BRAK, Berlin
Sieht man sich in sozialen Medien um oder plaudert mit Anwaltskolleginnen und -kollegen, begegnet einem eines immer wieder: Es scheint nicht unüblich zu sein, die eigene beA-Karte samt PIN einer ReFa zu überlassen, die damit alles abwickelt, was per beA zu versenden ist. Das ist zwar bequem: Man muss sich weder selbst im Alltag mit dem beA befassen noch um das (freilich nur einmalig nötige) Einrichten von beA-Zugang und Berechtigungen kümmern. Doch diese Praxis ist nicht nur rechtswidrig, sie hat auch nachteilige Folgen im Prozess.
Die Rechtslage
Der Wortlaut von § 26 Abs. 1 RAVPV ist unmissverständlich: „Die Inhaber eines für sie erzeugten Zertifikats dürfen dieses keiner weiteren Person überlassen und haben die dem Zertifikat zugehörige Zertifikats-PIN geheim zu halten.“ Gemeint sind Zertifikate zur Authentifizierung am beA, sei es auf einer beA-Karte oder als Softwarezertifikat.
Der Gesetzgeber hatte die in Kanzleien übliche Arbeitsteilung zwischen Anwältinnen und Anwälten und ihrem Fachpersonal durchaus im Blick. Sie ist möglich, indem für Mitarbeitende eigene beA-Zugänge zum Postfach der Anwältin oder des Anwalts und die entsprechenden Berechtigungen eingerichtet werden (§ 23 Abs. 2 und 3 RAVPV), um etwa Nachrichten lesen oder löschen oder Empfangsbekenntnisse abgeben zu können.
Was dahinter steckt
Auf den ersten Blick mag das umständlich wirken. Doch dahinter steckt, dass man durch das Versenden aus dem eigenen beA über die SAFE-ID eindeutig identifiziert ist. Und man gibt dem Empfänger der Nachricht zugleich die – tagesaktuell mit den Rechtsanwaltskammern abgeglichene – Information, zur Rechtsanwaltschaft zugelassen zu sein.
An diesen Vertrauensmechanismus ist auch die in § 130a Abs. 3 ZPO und den übrigen Verfahrensordnungen vorgesehene Möglichkeit gekoppelt, Schriftsätze ohne qualifizierte elektronische Signatur formwirksam bei Gericht einreichen zu können. Das setzt aber voraus, dass die versendende Person identisch ist mit derjenigen, deren beA genutzt wird.
Nachteilige Folgen im Prozess
Missachtet man die Vorgaben der RAVPV und des § 130a Abs. 3 ZPO, hat dies nachteilige prozessuale Folgen und zieht ggf. Regress nach sich. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zeigt sich – angesichts der klaren Rechtslage erwartbar – wenig milde.
Problem 1: keine formwirksame Einreichung
Über den sog. sicheren Übermittlungsweg (§ 130a Abs. 3 Alt. 2 ZPO) können Anwältinnen und Anwälte Schriftsätze formwirksam bei Gericht einreichen, wenn sie diese mit einer einfachen Signatur versehen und aus ihrem beA an das Gericht senden. Die Form ist jedoch nicht gewahrt, wenn die Anwältin oder der Anwalt ihre bzw. seine beA-Karte samt PIN an einen Kanzleimitarbeiter übergibt, der den Schriftsatz damit versendet. Das entschied der BGH (Beschl. v. 20.6.2023 – 2 StR 39/23) jüngst in einer Strafsache.
Problem 2: keine Wiedereinsetzung
Wer seine beA-Karte samt PIN zum Zwecke des Versands an Dritte weitergibt, verspielt auch die Chance, im Fall eines Fristversäumnisses Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erhalten. Der BGH (Beschl. v. 31.8.2023 – IVa ZB 24/22) hat in einem Dieselverfahren jüngst entschieden, dass sich der Inhaber eines beA, der seine Karte und PIN an eine dritte Person weitergibt, auch die Fehler zurechnen lassen muss, die dieser Person beim Versand unterlaufen. Im Fall des BGH hatte die Mitarbeiterin des Anwalts mit dessen beA-Karte und PIN versehentlich einen Schriftsatz aus einem anderen Verfahren an das Gericht gesandt. Die Frist war damit nicht unverschuldet versäumt.
Problem 3: keine Entkräftung eines eEB
Wer seine beA-Karte und PIN an eine andere Person weitergibt, muss sich zudem das von ihr abgegebene elektronische Empfangsbekenntnis (eEB) wie ein eigenes zurechnen lassen – und zwar nach einer Entscheidung des BSG (Urt. v. 14.7.2022 – B 3 KR 2/21 R) selbst dann, wenn das eEB von dem Dritten unbefugt abgegeben wurde. Die Rechtsmittelfrist begann im Fall des BSG daher, bevor der Anwalt selbst Kenntnis von der zugestellten Entscheidung hatte.