HANSEATISCHE RECHTSANWALTSKAMMER HAMBURG
Ausgabe 1/2024 vom 8. Februar 2024

LG Hamburg: Übergabe von nichtverfahrensrelevanten Gegenständen im Sitzungssaal

Hinweis an Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger

Zum Thema "Übergabe von nichtverfahrensrelevanten Gegenständen im Sitzungssaal" erhielten wir vom Präsidenten des Landgerichts Hamburg folgende Zuschrift, die sich an die Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger richtet:

"In den letzten Monaten kam es in Strafverfahren bei uns am Landgericht vermehrt zu Diskussionen zwischen Angeklagten, Verteidiger:innen und Vorführbeamt:innen über die Frage, ob und in welchem Umfang nichtverfahrensrelevante Gegenstände wie insbesondere Lebensmittel und Getränke im Verhandlungssaal von Rechtsanwält:innen an Inhaftierte übergeben werden dürfen. Der Grundsatz steht dabei außer Frage: Die Vorsitzenden entscheiden im Rahmen ihrer sitzungspolizeilichen Hoheit gemäß § 176 Abs. 1 GVG darüber, ob ausnahmsweise nichtverfahrensrelevante Gegenstände übergeben werden dürfen. Was jedoch zuletzt mehrfach Anlass für Unstimmigkeiten war und damit zu Unruhe im Verhandlungsablauf geführt hat, war die Frage, wie weit eine solche Genehmigung reicht, ob gewisse Gegenstände unter diese fallen und ob die Vorführbeamt:innen die Übergabe von Gegenständen so lange zu unterbinden haben, bis die Kammer den Sitzungssaal betritt und der/die Vorsitzende über diese Fragen entscheiden kann.

Wir haben die Strafrichterkolleg:innen für diese Fragen sensibilisiert und haben für den Fall, dass sie im Einzelfall eine Genehmigung zur Übergabe von nichtverfahrensrelevanten Gegenständen erteilen wollen, in Abstimmung mit den Kolleg:innen aus der Untersuchungshaftanstalt folgendes Prozedere vorgeschlagen:

Die Vorführbeamten, die – ehe der/die Richter den Sitzungssaal betreten haben – einen Übergabeversuch von nichtverfahrensrelevanten Gegenständen beobachten, bitten den Verteidiger, mit der Übergabe zu warten und fragen dann den Vorsitzenden, ob die Genehmigung erteilt werden soll. Die Entscheidung des Vorsitzenden wird von dem anwesenden Vorführbeamten auf dem Vorführersuchen vermerkt, so dass sich diese Frage in der laufenden Hauptverhandlung nicht mehr stellt. Diese Entscheidung umfasst die Herausgabe entsprechender Gegenstände während des laufenden Verfahrenstages. An den Folgeterminen würde der Vorführbeamte eine erneute gesonderte Genehmigung des Vorsitzenden nur bei offensichtlicher Überschreitung der Genehmigung einholen.

Nur wenn der Vorsitzende in seiner Entscheidung ausdrücklich anordnet (was von dem anwesenden Vorführbeamten auf dem Vorführersuchen vermerkt wird), dass der Vorsitzende an jedem Verhandlungstag darüber zu entscheiden hat, ob Gegenstände unter die erteilte Genehmigung fallen, wird an den folgenden Verhandlungstagen der Vorführbeamte regelmäßig eine Übergabe vor Eintritt der Richter ablehnen. Die Vorführbeamten werden in diesem Fall die Prozessbeteiligten (i. d. R. den Verteidiger) unter Verweis auf die erteilte Genehmigung des Vorsitzenden anhalten, den Gegenstand dem Vorsitzenden nach dessen Eintreten vorzuzeigen/vorzulegen, damit von diesem über die Frage entschieden werden kann, ob der jeweilige Gegenstand unter die erteilte Genehmigung fällt.

Sollte eine ausdrückliche Anordnung des Vorsitzenden im Sinne des vorstehenden Absatzes in seiner Entscheidung nicht ergangen sein, wird der Vorführbeamte bei Übergabe von Gegenständen also nur dann noch eingreifen, wenn die Genehmigung offensichtlich überschritten wird, oder Lebensmittel oder nicht verfahrensrelevante Gegenstände in die Anstalt mitgenommen werden sollen (was generell verboten ist und auch nicht richterlich angeordnet werden kann).

Wir hoffen, damit unseren Teil getan zu haben, um diesen – sicherlich für alle Beteiligten unerquicklichen – Unruheherd einzudämmen. Um dieses Vorhaben jedoch wirklich erfolgreich in die Tat umzusetzen, ist es aus unserer Sicht von ebenso großer Bedeutung, dass die Strafverteidiger:innen gleichermaßen über dieses Prozedere informiert und für das Thema und die damit verbundenen Probleme sensibilisiert werden. Vor diesem Hintergrund möchten wir Sie herzlich bitten, diese Nachricht an die Strafverteidigerkolleg:innen zu übermitteln."