HANSEATISCHE RECHTSANWALTSKAMMER HAMBURG
Ausgabe 5/2023 vom 30. November 2023

Vorstandswahlen – Kandidaten gesucht! / Auf dem Weg zum Onlinegericht… / In eigener Sache

Dr. Christian Lemke, Präsident von Dr. Christian Lemke, Präsident

1. Vorstandswahlen – Kandidaten gesucht!
Im ersten Quartal des nächsten Jahres finden turnusgemäß die Wahlen zu unserem Kammervorstand an. Gewählt wird, wie alle zwei Jahre, die Hälfte der Mitglieder, d.h. 13 Kolleginnen und Kollegen. Rechtszeitig vor der Wahl werden Sie durch Schreiben des Wahlausschusses über die Einzelheiten der Wahl informiert und insbesondere aufgefordert werden, Wahlvorschläge einzureichen, die jeweils von 10 Kammermitgliedern unterstützt werden müssen. Machen Sie von Ihrem Vorschlagsrecht Gebrauch! Die Kammer lebt vom ehrenamtlichen Engagement der Mitglieder insbesondere im Kammervorstand. Stellen Sie sich zur Wahl, engagieren Sie sich und haben Sie Anteil an Mitgestaltung unserer Selbstverwaltung!

2. Auf dem Weg zum Onlinegericht…
Nach dem nunmehr am 17.11.2023 vom Bundestag beschlossenen Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten wird der sprichwörtliche Gang zu Gericht künftig noch stärker durch einen Platz vor dem Bildschirm ersetzt. Nach der nun vorgesehenen Neufassung des § 128a ZPO kann die mündliche Verhandlung in geeigneten Fällen als Videoverhandlung stattfinden, also als eine solche, an der mindestens ein Verfahrensbeteiligter oder mindestens ein Mitglied des Gerichts per Bild- und Tonübertragung teilnimmt (§ 128a Abs. 1 ZPO-neu). Der Vorsitzende kann die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung per Bild- und Tonübertragung dabei für einen Verfahrensbeteiligten, mehrere oder alle Verfahrensbeteiligte gestatten oder anordnen (§ 128a Abs. 2 ZPO-neu). Er soll die Teilnahme per Videoverhandlung schon dann anordnen, wenn nur ein Verfahrensbeteiligter dies beantragt (§ 128a Abs. 2 ZPO-neu); das Entscheidungsermessen des Vorsitzenden ist folglich dahingehend eingeschränkt, dass eine Videoteilnahme in der Regel in geeigneten Fällen anzuordnen ist und nur ausnahmsweise abgelehnt werden kann. Wird die mündliche Verhandlung als Videoverhandlung angeordnet, so leitet der Vorsitzende die Verhandlung von der Gerichtsstelle aus; er kann jedoch gemäß § 128a Abs. 3 ZPO-neu anderen Mitgliedern des Gerichts gestatten, „online“ teilzunehmen. Nehmen alle Verfahrensbeteiligten und Mitglieder des Gerichts virtuell teil, so kann der Vorsitzende die Verhandlung sogar selbst von einem anderen Ort als der Gerichtsstelle und damit gleichsam aus dem „Homeoffice“ heraus leiten; die Öffentlichkeit ist dann durch Übertragung der Verhandlung in einen Gerichtssaal herzustellen (§ 128a Abs. 6 ZPO-neu). Damit sind dann also „vollvirtuelle“ Gerichtsverhandlungen möglich. Legt ein Verfahrensbeteiligter binnen zwei Wochen Einspruch gegen die Anordnung der virtuellen Verhandlung ein (der nicht begründet werden muss), so hebt der Vorsitzende die Anordnung auf; er soll jedoch den übrigen Verfahrensbeteiligten, die keinen Einspruch eingelegt haben, die Teilnahme per Video gestatten (§ 128a Abs. 5 ZPO-neu). Die Regelungen gelten nach der Neufassung des § 284 ZPO dabei weitgehend auch für virtuelle Beweisaufnahmen. Urteilsverkündungen werden durch entsprechende Ergänzung des § 310 Abs. 1 ZPO ebenfalls per Bild- und Tonübertragung möglich. Mit der Neufassung des § 16 ZPOEG werden die Landesregierungen überdies ermächtigt, durch Rechtsverordnung zum Zwecke der Erprobung zuzulassen, dass Gerichte zur Herstellung der Öffentlichkeit an „vollvirtuellen“ Gerichtsverhandlungen auch die unmittelbare Teilnahme der Öffentlichkeit an der Videoverhandlung ermöglichen; das dürfte darauf hinauslaufen, dass an der Verhandlung Interessierte Zugangsdaten für eine Einwahl erhalten, die Ihnen ermöglicht, der Verhandlung zu folgen.

Die teil- oder vollvirtuelle Verhandlung ist dabei keineswegs nur auf das Verfahren vor den Zivilgerichten beschränkt. Vielmehr sind vergleichbare Regelungen oder Verweise auf § 128a ZPO-neu in den Verfahrensordnungen aller Fachgerichtsbarkeiten vorgesehen.

In der Praxis wird damit manch ein Gang zur Gerichtsverhandlung überflüssig werden; die virtuelle Gerichtsverhandlung wird zur Regel und nicht mehr zur Ausnahme werden. Das ist zu begrüßen, auch wenn es in vielen Fällen aus – hoffentlich – guten Gründen bei der Verhandlung und vor allem Beweisaufnahme im Gerichtssaal bleiben wird. Gleichwohl: Die Gerichte werden nun deutlich „aufrüsten“ und die nötigen technischen Einrichtungen zur regelhaften virtuellen Verhandlung schaffen müssen.

Noch weiter gehen jüngst bekannt gewordene Vorüberlegungen des BMJ zur Entwicklung und Erprobung eines zivilgerichtlichen Online-Verfahrens im Bereich niedrigschwelliger Streitwerte vor den Amtsgerichten unter neuen digitalen Rahmenbedingungen. Hierfür sollen in den § 13 bis 13j ZPOEG-neu Experimentierregelungen vorgesehen werden. Im Wege der schrittweisen Erprobung sollen dabei eine strukturierte Erfassung des Prozessstoffs und die weitergehende Digitalisierung der Verfahrensabläufe eine effektivere Verfahrensbearbeitung bei den pilotierenden Amtsgerichten ermöglichen. Mit den Neuregelungen soll die Rechtsgrundlage für zivilprozessuale Anpassungen sowie Änderungen im elektronischen Rechtsverkehrs für die Erprobung von Prototypen für eine digitale Einreichung von Zahlungsklagen für Bürgerinnen und Bürger entwickelt werden. Das BMJ arbeitet bereits gemeinsam mit der DigitalService GmbH des Bundes und den Partnerländern (darunter Hamburg) an Prototypen für eine digitale Klageeinreichung für Bürgerinnen und Bürger. In einem weiteren Entwicklungsschritt wird eine technische Anbindung der Anwaltschaft angestrebt. Wir werden sehr darauf achten, dass nicht nur eine technische Anbindung der Anwaltschaft geschaffen wird, sondern auch im Übrigen sichergestellt wird, dass die Anwaltschaft nicht ausgegrenzt wird. Der Gesetzgeber wird insbesondere gewährleisten müssen, dass jederzeit eine Übernahme der von Bürgerinnen und Bürgern selbst initiierten digitalen Verfahren möglich ist, ohne dass der Anwaltschaft hierdurch Mehraufwand entsteht. Auch überbordenden Anforderungen an die Strukturierung des Parteivortrags werden wir selbstverständlich entgegentreten.

3. In eigener Sache

Die Hauptversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer hat ein neues Präsidium gewählt: Als Präsident wiedergewählt wurde Herr Dr. Ulrich Wessels, als 2. bzw. 3. Vizepräsident wiedergewählt wurden André Haug (Präsident RAK Karlsruhe) und Dr. Thomas Remmers (Präsident RAK Celle). Neu in das Präsidium gewählt wurden Sabine Fuhrmann (Präsidentin RAK Sachsen) als 4. Vizepräsidentin und Leonora Holling (Präsidentin RAK Düsseldorf) als Schatzmeisterin. Ich selbst wurde nach meiner Wahl zum 4. Vizepräsidenten im Jahr 2019 nunmehr zum 1. Vizepräsidenten gewählt. Einzelheiten zur Wahl des neuen Präsidiums der Bundesrechtsanwaltskammer finden Sie hier.

Nach der vom Präsidium beschlossenen Geschäftsverteilung werde ich weiterhin für das beA zuständig sein sowie darüber hinaus u.a. für den Rat der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) sowie die Ausschüsse Europa, Rechtsdienstleistungsgesetz, IT-Recht und Kartellrecht.

Ich freue mich sehr, dass ich unserer Kammer damit künftig noch etwas mehr Gewicht in Berlin und Brüssel verschaffen kann. Aber seien Sie versichert: mein Engagement für die Hanseatische Rechtsanwaltskammer wird darunter nicht leiden – ich bin zuvorderst der Präsident dieser, meiner Hamburger Kammer und werde mich weiterhin mit unvermindertem Engagement dieser Aufgabe widmen!

Ihr

Dr. Christian Lemke
Präsident