HANSEATISCHE RECHTSANWALTSKAMMER HAMBURG
Ausgabe 5/2023 vom 30. November 2023

BGH: Verantwortlichkeit für Schriftsatz unter Kollegen-Briefkopf

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Urteil festgestellt, dass ein Anwalt, der unter dem Briefkopf eines Kollegen einen Schriftsatz verfasst und eigenhändig unterzeichnet, vermutlich in Vertretung des Briefkopfinhabers handelt.

Im konkreten Fall legte eine Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten M. fristgerecht Berufung ein. Der Schriftsatz für die Berufungsbegründung erfolgte zwar mit dem Briefkopf des Prozessbevollmächtigten („M. Rechtsanwaltskanzlei“), auf dem auch noch der weitere Rechtsanwalt J. aufgeführt wird. Unterzeichnet wurde der Schriftsatz aber von Rechtsanwalt B., der nicht auf dem Briefkopf steht.

Das Landgericht hatte die Berufung der Klägerin verworfen, da die Berufungsbegründung nicht von dem Prozessbevollmächtigten unterzeichnet worden sei. Es sei nicht erkennbar, dass Rechtsanwalt B. selbst für den Inhalt der Rechtsmittelbegründung Verantwortung übernehmen wolle und nicht bloß Erklärungsbote sei. Einen Vertretungszusatz (wie z.B. „für“ oder „i.V.“) habe Rechtsanwalt B. seiner Unterschrift nicht hinzugefügt. Auch der Briefbogen lasse keinen Rückschluss auf ein Vertretungsverhältnis zu. Somit sei es im Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist nicht erkennbar gewesen, wer für den Inhalt der Berufungsbegründung die Verantwortung im Sinne von §§ 130 Nr. 6, 520 Abs. 5 ZPO übernehme.

Dies sieht der BGH anders: Es spräche grundsätzlich eine Vermutung dafür, dass der Unterzeichner sich den Inhalt des Schreibens zu eigen gemacht hat, dafür die Verantwortung übernimmt und nicht lediglich als Erklärungsbote tätig wird. Diese Vermutung werde vorliegend auch nicht erschüttert; insbesondere habe Rechtsanwalt B. nicht lediglich "i.A." unterzeichnet. Es sei ausreichend, wenn sich für das Gericht das Handeln als Vertreter hinreichend deutlich erkennbar aus den Umständen ergibt. Eine Verwendung des Zusatzes „i.V.“ o.ä. sei nicht zwingend. Angesichts der Gesamtumstände sei es fernliegend, dass Rechtsanwalt B. die Berufungsbegründung im eigenen Namen abgeben wollte. Denn das Mandat sei der Kanzlei M. erteilt worden und es sei auch deren Briefpapier benutzt worden.

Eine andere Frage hingegen sei, ob Rechtsanwalt B. zu dieser Vertretung befugt gewesen ist und als berechtigter Unterbevollmächtigter gehandelt hat. Dies werde noch zu klären sein.

BGH, Urteil vom 20. Dezember 2022 - VI ZR 279/21