VG Berlin: Pflicht zur elektronischen Einreichung in eigenen Angelegenheiten
Die Pflicht zur elektronischen Einreichung von Schriftsätzen für einen Rechtsanwalt gilt jedenfalls auch dann, wenn er in eigenen Sachen tätig wird und als Rechtsanwalt auftritt.
Im konkreten Fall wehrte sich ein Rechtsanwalt gegen die Zwangsvollstreckung seines Versorgungswerkes. Er reichte im Januar 2022 vorab per Telefax und zwei Tage später bei Gericht einen Schriftsatz ein, mit dem er die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung begehrte.
Das Unterlassen der elektronischen Einreichung begründete er damit, dass bei der Nutzung seines beA seit geraumer Zeit Nutzungsprobleme in Form von Zugangsstörungen aufträten, deren Behebung noch ausstehe. Zudem sei es ihm wegen des damit verbundenen Aufwands nicht möglich, alle bislang schriftlich eingereichten Schriftsätze nunmehr einzuscannen, um sie elektronisch einzureichen.
Dieser Argumentation konnte sich das VG Berlin nicht anschließen und wies den Antrag als unzulässig zurück, da er entgegen § 55d Satz 1 VwGO nicht elektronisch eingereicht worden sei. Vorliegend sei auch der personelle Anwendungsbereich der Vorschrift eröffnet, weil der Antragsteller Rechtsanwalt ist. Der Behandlung des Antragstellers als Rechtsanwalt stünde nicht entgegen, dass er vorliegend nicht als Prozessvertreter für einen Dritten, sondern in eigener Angelegenheit auftritt. Dem Wortlaut von § 55d VwGO sei nicht zu entnehmen, ob der Begriff des Rechtsanwalts status- oder rollenbezogen verwandt wird, ob also der Status als Rechtsanwalt genügt, um den Pflichten des § 55d VwGO zu unterliegen oder ob darüber hinaus zu fordern ist, dass der Rechtsanwalt im konkreten Fall auch tatsächlich als solcher auftritt. Letzteres Verständnis hätte zur Folge, dass eine Person dann nicht als Rechtsanwalt zu behandeln wäre, wenn sie zwar als solcher zugelassen ist, jedoch in einer eigenen Angelegenheit nicht als solcher, sondern als Privatperson auftritt. Eine solche Auslegung könnte im Lichte der Grundrechte auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) und Justizgewährung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) geboten sein, da es zweifelhaft erscheint, ob es sich rechtfertigen lässt, dass einem Rechtsanwalt wegen der Verletzung beruflicher Pflichten im elektronischen Rechtsverkehr auch in privaten Angelegenheiten der Zugang zu den Gerichten verwehrt bleibt.
Vorliegend könne dies jedoch dahinstehen, denn der Antragsteller sei ausweislich des Briefkopfes seiner Schriftsätze stets als Rechtsanwalt aufgetreten und habe daher bewusst diese Rolle angenommen. Es sei daher - ohne dass der Antragsteller dies gesondert hervorheben müsste - davon auszugehen, dass er sich im hiesigen Verfahren als Rechtsanwalt selbst vertritt, was bei seinem Obsiegen auch zur Folge hätte, dass er vom Antragsgegner seine Gebühren und Auslagen erstattet verlangen könne. Auch der sich selbst vertretende Rechtsanwalt sei daher als Rechtsanwalt zu behandeln, da die Personenverschiedenheit von Anwalt und Mandant kein kennzeichnendes Merkmal einer anwaltlichen Tätigkeit sei.
Für die Ausnahme einer erlaubten schriftlichen Antragstellung aus technischen Gründen (§ 55d Satz 3 VwGO) fehle es bereits an der Glaubhaftmachung. Eine pauschale Behauptung reiche hierfür nicht aus. Auch der vorgetragene Aufwand des Einscannens begründe keine technische Unmöglichkeit.
VG Berlin, Beschluss vom 5.5.2022 – VG 12 L 25/22