Professional Enablers
Professional Enablers
Anfang Juli veröffentlichte die Europäische Kommission eine Aufforderung zur Stellungnahme zu einer Folgenabschätzung sowie eine öffentliche Konsultation zu einem beabsichtigten Legislativvorschlag zum Vorgehen gegen „Professional Enablers“ – in der deutschen Übersetzung verharmlosend als „Vermittler“ bezeichnet -, die Steuerhinterziehung und „aggressive Steuerplanung“ begünstigen. Zu entsprechenden „Enablers“ werden auch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gezählt. Die Kommission ist der Auffassung, dass die bisherigen Bemühungen der EU zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und „aggressiver Steuerplanung“ – so u.a. durch die überarbeitete Richtlinie zur Bekämpfung von Steuervermeidung (ATAD), die Richtlinie (EU) 2018/822 des Rates zur Änderung der Richtlinie über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der (direkten) Besteuerung (DAC6) und der kürzlich vorgelegte Vorschlag für eine Richtlinie mit Vorschriften zur Verhinderung der missbräuchlichen Nutzung von Briefkastenfirmen für Steuerzwecke (UNSHELL) – unzureichend seien. Denn gleichwohl würden die „Enabler“ die Ausarbeitung und Vermarktung von Steuermodellen, die die Steuerbemessungsgrundlage der Mitgliedstaaten aushöhlten, fortsetzen oder bei ihrer Umsetzung nach wie vor Unterstützung leisten. Es bedürfe daher geeigneter Verfahren und Maßnahmen zur Einhaltung der Vorschriften, um Steuerhinterziehung oder aggressive Steuerplanung wirksam zu bekämpfen. So wird in der Konsultation der EU-Kommission u.a. danach gefragt, ob Geldstrafen oder die Untersagung der Erbringung von Dienstleistungen von entsprechenden „Enablers“ als probates Mittel empfunden würden, die Erbringer entsprechender Leistungen davon abzuhalten, missbräuchliche Steuerpraktiken zu erleichtern.
Die Empörung über die „Paradise -“ und „Panama Papers“-Skandale war berechtigt. Gleichwohl: Der Ansatz der Kommission ist verfehlt und nachgerade unverschämt. Statt für eindeutige, den Steuerpflichtigen adressierende Regelungen einzutreten, die eine klare Abgrenzung zwischen strafbarer Steuerhinterziehung und legaler Steuervermeidung ermöglichen, werden Steuerhinterziehung und Steuervermeidung in einen Topf geworfen und Rechtsanwälte als berufsmäßige Wegbereiter sowohl strafbarer Steuerhinterziehung als auch – was immer das sein mag – „aggressiver“ Steuervermeidung diskreditiert, denen die Zulassung entzogen werden müsse. Leider kein Einzelfall, auch andere Institutionen und Organisationen bliesen in jüngster Zeit ins gleiche Horn (zur Entschließung des EP vom 21.10.2021 s. bereits Editorial KR 5/2021). So hat etwa die OECD im letzten Jahr in einem rund 60 Seiten umfassenden Bericht unter dem Aufmacher „Schluss mit Steuerbetrug: Strategien zur Bekämpfung professioneller Enabler von Steuer- und Wirtschaftskriminalität“ gefordert, professionelle Enabler wie Anwälte, Wirtschaftsprüfer, Finanzinstitute und sonstige „Angehörige einschlägiger Berufe“ ins Visier zu nehmen und ihre Aktivitäten zu unterbinden, um diese Art von Kriminalität „an der Wurzel zu packen“. Da hilft es auch kaum, wenn in der Zusammenfassung des Papiers der OECD – anders als in den nun veröffentlichten Befragungen der EU-Kommission – immerhin darauf hingewiesen wird, dass sich die meisten Angehörigen der genannten Berufe an die Gesetze hielten und dazu beitragen würden, dass Unternehmen und Privatpersonen die Rechtsvorschriften verstehen und einhalten und das Finanzsystem reibungslos funktioniert. Der Eindruck verfestigt sich vielmehr: Anwälte insgesamt sind wie „andere einschlägige Berufe“ nichts als willfährige Wegbereiter krimineller und anderer übler, das Gemeinwohl gefährdender Aktivitäten. Welch ein verqueres Rechtsstaatsverständnis. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind nicht Hilfssheriffs des Staates; als staatsfernen unabhängigen und den Interessen der Mandanten verpflichteten Beratern und Vertretern ist es ihre Aufgabe, ihren Mandanten rechtlich zulässige Gestaltungsmöglichkeiten auszuloten und aufzuzeigen, gleich ob im Steuerrecht oder anderen Rechtsgebieten.
Die Verpflichtung des Anwalts zu streng rechtstreuem Verhalten steht außer Frage. Dies ändert nichts daran, dass es Aufgabe des rechtstreu und auch im Übrigen pflichtgemäß handelnden Anwalts ist, den Mandanten auch gegen Interessen des Staates zu beraten und zu vertreten. Das ist weder rechtswidrig noch sonst verwerflich. In Brüssel versteht dies manch einer offenbar erst, wenn er selbst anwaltlichen Beistand benötigt.
Ihr
Dr. Christian Lemke
Präsident