HANSEATISCHE RECHTSANWALTSKAMMER HAMBURG
Ausgabe 4/2022 vom 1. September 2022

VG Wiesbaden: Datenschutz schützt nicht vor anwaltlichem Sachvortrag

Lässt sich ein rechtlicher Anspruch nur unter Verarbeitung von Gesundheitsdaten durchsetzen, so dürften diese nach Auffassung des VG Wiesbaden auch genutzt werden. Der Schutz dieser Daten solle nicht so weit gehen, dass die legitime Durchsetzung von Rechten unmöglich ist. Dasselbe müsse auch für die Abwehr von Ansprüchen gelten.

Folgendes hat sich zugetragen:

In einem Arbeitsgerichtsprozess ließ sich die Arbeitgeberin von einer Rechtsanwältin vertreten, die in dem Verfahren zur Abwehr von Ansprüchen auf eine „behinderungsgerechte Beschäftigung und Schadenersatz“ vertrauliche Informationen aus einem Gespräch zur Weiterbeschäftigung vorgetragen hatte. Diese Information hatte sie zuvor von der Arbeitgeberin erhalten. Die Klage des Arbeitnehmers wurde daraufhin abgewiesen.

Daraufhin wandte sich der Arbeitnehmer an den Landesdatenschutzbeauftragten und beanstandete datenschutzrechtliche Verstöße. Es seien sensible private, vertraulich ausgesprochene personenbezogene Daten rechtswidrig gespeichert und wissentlich der Öffentlichkeit preisgegeben worden. Weil der Landesdatenschutzbeauftragte sich dieser Auffassung nicht anschließen konnte, klagte der Arbeitnehmer gegen den Landesdatenschutzbeauftragten mit dem Ziel eines aufsichtsrechtlichen Einschreitens.

Das VG Wiesbaden wies die Klage als unbegründet ab. Insbesondere habe die Rechtsanwältin bei der Datenverarbeitung nicht gegen die DSGVO verstoßen. Richtig sei zwar, dass die Rechtsanwältin als unabhängiges Organ der Rechtspflege datenschutzrechtlich selbst als Verantwortliche einzuordnen sei. Allerdings sei die Datenverarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 UA 1 S. 1f i.V.m. Art. 9 DSGVO rechtmäßig gewesen.

Die Tätigkeit einer Rechtsanwältin wäre unmöglich, wenn sie nicht grundsätzlich das vortragen dürfte, was ihr der Mandant mitteilt. Sie würde sich sogar seinerseits der Gefahr der Anwaltshaftung aussetzen, wenn sie entgegen § 138 Abs. 2, Abs. 3 ZPO nicht den Vortrag der gegnerischen Partei bestreitet und den Sachverhalt aus der Perspektive der Mandantin darstellt. Aus anwaltlicher Vorsicht sei die Rechtsanwältin gehalten, umfassend vorzutragen und zu bestreiten. Die von der Rechtsanwältin verwendeten Daten seien weder falsch, noch durch diese in rechtswidriger Weise beschafft worden.

Auch habe der Kläger die Daten und damit Gesundheitsdaten selbst ins Verfahren eingebracht, indem er den Prozess beim Arbeitsgericht mit seiner Klage einleitete und den Gegenstand dieses Verfahrens durch den von ihm geltend gemachten Anspruch auf eine leidensgerechte Beschäftigung denkbar weit fasste. Das Verbot der Verarbeitung von Gesundheitsdaten gelte dann aber nicht, wenn die Verarbeitung zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen oder bei Handlungen der Gerichte im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit erforderlich ist (Art. 9 Abs. 2 lit. f DSGVO).

VG Wiesbaden, Urteil vom 19.01.2022 – 6 K 361/21.WI