AGH: Fremdgeldpflicht auch gegenüber Rechtsschutzversicherung
Im Kammerreport 1/2023 vom 2.2.2023 hatten wir von einem Urteil des Hamburgischen Anwaltsgerichtes berichtet, wonach die berufsrechtliche Pflicht zur Weiterleitung von Fremdgeld nur gegenüber der eigenen Mandantschaft, nicht aber gegenüber deren Rechtsschutzversicherung bestünde.
Dieser Auffassung ist der Anwaltsgerichtshof (AGH) in der Berufungsinstanz entgegengetreten. Danach bestünde die Pflicht zur unverzüglichen Weiterleitung von Fremdgeldern auch gegenüber Rechtsschutzversicherern.
Eine Einschränkung auf Verstöße im Verhältnis zum Mandanten bzw. in Bezug auf Fremdgeld, welches dem Mandanten zusteht, bestünde nicht. Seinem Wortlaut nach begrenze § 43a Abs. 5 BRAO a.F. (gleichlautend mit § 43a Abs. 7 n.F. BRAO) die Pflicht zur unverzüglichen Weiterleitung von Fremdgeld nicht auf Mandantengelder. Fremde Gelder seien nach Satz 2 unverzüglich „an den Empfangsberechtigten“ weiterzuleiten. Gleiches gelte für § 4 BORA, der die Regelung in § 43a Abs. 5 BRAO a.F. konkretisiere. Danach seien Fremdgelder und sonstige Vermögenswerte, insbesondere Wertpapiere und andere geldwerte Urkunden, unverzüglich an den Berechtigten weiterzuleiten. Auch aus der Gesetzesbegründung ergäbe sich keine Begrenzung der Pflicht nach § 43a Abs. 5 BRAO a.F., § 4 BORA auf Mandantengelder oder auf eine Einhaltung der Pflicht nur im Mandanteninteresse. Nach der Gesetzesbegründung resultiere die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts beim Umgang mit fremden Vermögenswerten aus dem vertraglichen Vertrauensverhältnis zu seinem Mandanten und der Erwartung in die uneingeschränkte Integrität des Rechtsanwalts in seiner Stellung als Organ der Rechtspflege. Satz 2, so die Gesetzesbegründung weiter, enthalte zudem eine ausdrückliche Regelung zum berufsgerechten Umgang mit Fremdgeld (vgl. BT-Drucks. 12/4993, 28).
Ähnlich wie bei der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht schütze § 43a Abs. 5 BRAO a.F. das allgemeine Vertrauen in die Korrektheit und Integrität der Anwaltschaft in allen finanziellen Fragen und damit zugleich die Funktion der Anwaltschaft in der Rechtspflege. Dieses Interesse rechtfertige es, die Pflicht zur Weiterleitung von Fremdgeld zusätzlich in den Rang einer öffentlich-rechtlichen Berufspflicht zu erheben. Fremdgelder im Sinne des § 43 Abs. 5 S. 2 BRAO a.F. seien daher nicht nur Mandantengelder, sondern auch Fremdgelder der Versicherung (insbesondere Zahlungen auf Kostenerstattungsansprüche), die an diese weiterzureichen seien.
Anwaltsgerichtshof der Freien und Hansestadt Hamburg, Urteil vom 8.11.2023 – AGH I EVY 4/2023 (1-43)