OLG Koblenz: Kein Interessenwiderstreit bei gleichgerichteten Interessen
Nach einer Entscheidung des OLG Koblenz besteht kein Interessenwiderstreit im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO, wenn ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin für die Pflichtteilsberechtigte und die Alleinerbin die in ihrem Miteigentum stehenden Immobilien veräußert und ihre gemeinsamen Verbindlichkeiten und den Nachlassbestand klärt, da hier die Interessen beider Mandantinnen gleichgerichtet sind. Die bloße Möglichkeit eines späteren Interessenkonflikts steht dieser gemeinsamen Vertretung nicht entgegen.
Ein Rechtsanwalt vertrat in einer Erbschaftssache die Pflichtteilsberechtigte und die Alleinerbin. Gegenstand der Beauftragung war u.a. der Verkauf der geerbten Immobilien. In der sich anschließenden Honorarklage beriefen sich die Pflichtteilsberechtigte und die Alleinerbin bei ihrer Zahlungsunwilligkeit auch auf Nichtigkeit der Beauftragung wegen der Vertretung widerstreitender Interessen. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass sich der Interessengegensatz auch beim Verkauf der Immobilie auswirke, da ein höherer Kaufpreis zu einem höheren Pflichtteilsanspruch zugunsten der Pflichtteilsberechtigten führe. Als Pflichtteilsberechtigte hätte sie sich besser gestellt, wenn die Immobilien nicht verkauft worden wären, da deren Schätzwert höher gewesen wäre. Außerdem habe aufgrund der Doppeltätigkeit der Rechtsanwalt Kenntnis von Interna beider Beklagten erlangt, die im jeweils anderen Mandat zur Erhöhung oder Reduzierung des jeweiligen Anspruchs führen könnten.
Dieser Argumentation konnte das OLG nicht folgen. Denn bei der Veräußerung der im gemeinsamen Eigentum der Beklagten stehenden Immobilien sei das Interesse der Beklagten als Verkäuferinnen keineswegs gegenläufig gewesen, sondern jeweils darauf gerichtet, den bestmöglichen Kaufpreis zu erlangen. Dies gelte auch für die Alleinerbin. Selbst wenn die Höhe des erzielten Kaufpreises Einfluss auf den von ihr als Erbin an die Pflichtteilsberechtigte zu zahlenden Pflichtteil habe, sei sie als Miteigentümerin vor allem daran interessiert, den größtmöglichen Betrag zur eigenen Verwendung zu behalten, mithin die Nachlassgegenstände zu einem möglichst hohen Wert zu veräußern.
Auch bei der Klärung der Nachlassverbindlichkeiten und des Nachlassbestands seien die Interessen beider Beklagten nicht gegenläufig gewesen, sondern gleichgerichtet auf ein möglichst großes Nachlassvermögen. Die bloße (latente) Möglichkeit, dass später bei einem Ausgleich unter den Beklagten unterschiedliche Interessen zutage treten, stünde einer gemeinsamen Vertretung zum jetzigen Zeitpunkt nicht entgegen. Das Anknüpfen an einen nur möglichen, im konkreten Verfahren, tatsächlich aber nicht bestehenden Interessenkonflikt würde gegen das Übermaßverbot verstoßen und wäre deshalb verfassungsrechtlich unzulässig. Die Vertretung mehrerer Mandanten sei dem Rechtsanwalt daher nur verboten, wenn dabei nach den konkreten Umständen des Falls ein Interessenkonflikt tatsächlich auftritt.