OLG Celle: Kein VU bei gestörter Videoübertragung
Wenn bei einer Verhandlung im Wege der Videoverhandlung sich die Beklagtenpartei aufgrund ihr nicht zuzurechnender technischer Störungen nicht zuschalten kann, ist nach Auffassung des OLG Celle kein Versäumnisurteil möglich.
In einem Zivilrechtsstreit vor dem Landgericht wurde für den Termin zur Beweisaufnahme den Beteiligten gestattet, sich im Wege der Videoübertragung zuzuschalten. Im Termin konnte dann eine Verbindung zum Beklagtenvertreter nicht hergestellt werden. Der Klägervertreter beantragte eine Entscheidung durch Versäumnisurteil, woraufhin das Gericht beschloss, dass ein neuer Termin von Amts wegen festgesetzt werde.
In der Folgezeit trugen die Beklagten schriftsätzlich vor, dass sie zum Verhandlungstermin zusammen mit ihrem Prozessbevollmächtigten in dessen Kanzlei vor einer Videokonferenzanlage anwesend gewesen seien. Aus ungeklärten Gründen konnte trotz mehrfacher Versuche eine Verbindung zur Videokonferenz nicht hergestellt werden. Auch über einen neuen Einwahllink, den der Prozessbevollmächtigte der Beklagten vom zuständigen Einzelrichter telefonisch anforderte, sei eine Einwahl nicht möglich gewesen.
Nachdem das Landgericht den Antrag des Klägers auf Erlass eines Versäumnisurteils zurückwies, legte der Kläger erfolglos sofortige Beschwerde ein. Nach Auffassung des OLG Celle habe das Landgericht zutreffend angenommen, dass die Beklagten und ihr Prozessbevollmächtigter ohne ihr Verschulden verhindert waren, im Wege der Videoübertragung an der Verhandlung teilzunehmen. Die im Einzelnen nicht mehr aufklärbaren technischen Gründe für die gestörte Videoübertragung, könnten den Beklagten nicht zugerechnet werden. Ein Verstoß gegen die erforderliche Sorgfalt könne ihnen nicht zur Last gelegt werden. Das Landgericht habe vorliegend weder eine Testmöglichkeit angeboten noch Hinweise erteilt. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten durfte sich daher darauf verlassen, dass eine Videoübertragung mit dem ihm vom Gericht zur Verfügung gestellten Einwahllink zustande kommen würde. Ob er das vom Gericht verwendete Videokonferenzprogramm zum ersten Mal nutzte, sei unerheblich, weil besondere technische Kenntnisse zur Teilnahme an der Verhandlung vermittels Videokonferenztechnik nicht gefordert werden könnten. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Prozessbevollmächtigte mit dem Auftreten technischer Probleme rechnen musste, seien ebenso wenig ersichtlich wie Hinweise auf missbräuchliches Vorschieben einer technischen Panne.
Auch sei es dem Beklagten und ihrem Prozessbevollmächtigten nicht zuzumuten, sich mittels Mobiltelefon in die Videokonferenz einzuwählen. Dies hätte den Anforderungen des § 128a Abs. 1 ZPO an eine genügende Videoübertragung nicht genügt. Damit die Videokonferenz der Situation einer Verhandlung unter Anwesenden hinreichend nahekomme und das rechtliche Gehör aller Beteiligten sowie die Unmittelbarkeit und Mündlichkeit der Verhandlung gewahrt werde, sei es erforderlich, dass jeder Beteiligte zeitgleich alle anderen Beteiligten visuell und akustisch wahrnehmen kann. Dabei müssten verbale und nonverbale Äußerungen wie bei persönlicher Anwesenheit wahrnehmbar sein. Dies wäre bei Verwendung der nur vergleichsweise kleinen Bildschirme von Mobiltelefonen nicht möglich gewesen, zumal außer den Prozessbevollmächtigten auch die Parteien im Wege der Videoübertragung zugeschaltet sein sollten und der Termin der Beweisaufnahme einer Zeugenvernehmung diente, bei der es in besonderer Weise auf die Wahrnehmung von Details ankommen könne.