Rechtsanwaltsfachangestellte/r – und dann?
Das Problem kennen viele Ausbildungsbetriebe: Es wird immer schwieriger, genügend und ausreichend qualifizierte Auszubildende zu finden. Selbst wenn sich die Personen entscheiden, eine Ausbildung zur/ zum Rechtsanwaltsfachangestellten aufzunehmen und diese auch erfolgreich beenden, passiert es oft, dass diese qualifizierten Arbeitskräfte den Kanzleien nicht erhalten bleiben. Auch andere Branchen haben die Qualität der Ausbildung erkannt, sodass viele Rechtsanwaltsfachangestellte in den öffentlichen Dienst, zu Versicherungen oder in Rechtsabteilungen von Unternehmen gehen. All jene Arbeitgeber scheinen bessere Arbeitsbedingungen anbieten zu können als die Kanzleien. Den Entschluss, sich anderweitig zu orientieren, fassen sogar schon die Absolventinnen und Absolventen, von denen meist etwa die Hälfte bereits bei der Übergabe der Fachangestelltenbriefe mitteilt, nicht in einer Kanzlei arbeiten zu wollen.
Im Rahmen eines Interviews, welches wir für unseren Instagram-Account geführt haben, sprachen wir auch mit einer Rechtsanwaltsfachangestellten, die nicht mehr in einer Kanzlei tätig ist. Dabei hat sich herausgestellt, dass jedenfalls ihre Erwartung an den Beruf nicht der Realität entsprach. Im Rahmen des Interviews berichtete sie über oftmals fehlende Wertschätzung. Ihrer Meinung nach hätten ihre Arbeitgeber nicht wahrgenommen, dass auch ihre Aufgaben wichtig für die Kanzlei und die Mandanten waren – ebenso wie die Aufgaben ihrer Arbeitgeber. Sie habe in drei verschiedenen Kanzleien gearbeitet und sich immer als „untere Stelle“ gefühlt, wobei ihr die Arbeit grundsätzlich viel Freude bereitet habe. Letztlich habe sie aber die fehlende Wertschätzung ihrer Arbeitgeber dazu bewegt, die Arbeit in der Kanzlei aufzugeben. Sie merke zudem an, dass sich solche negativen Erfahrungen auch unter potentiellen Bewerbern schnell rumsprechen würden, was für die Nachwuchsgewinnung nicht förderlich sei.
Die betroffene Person hat sich aufgrund ihrer Erfahrungen neu orientiert und ist nunmehr sehr glücklich in ihrem neuen Betätigungsfeld. Was für ihren jetzigen Arbeitgeber ein großes Glück darstellt, ist für die Kanzleien, die händeringend nach neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern suchen, suboptimal.
Und dabei handelt es sich leider nicht um einen Einzelfall. Zahlreiche Gespräche mit Rechtsanwaltsfachangestellten haben häufig eine Gemeinsamkeit: Die nicht vorhandene Wertschätzung ist einer der häufigsten Gründe für die vorhandene Unzufriedenheit.
Zugegebenermaßen hat sich auch die Generation gewandelt: Junge Erwachsene scheinen mit immer weniger Aufwand und Leistung immer mehr erreichen zu wollen und immer höhere Erwartungen zu haben. Wenn das „Mehr“ allerdings „nur“ mehr Anerkennung der guten Arbeit seitens der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ist, so sollte dies doch das Mindeste sein. Schließlich hören auch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gerne von ihren Mandanten, dass sie einen guten Job gemacht haben. Warum das Lob dann nicht einfach weitergeben?
In diesem Sinne: Haben Sie heute schon Ihren Rechtsanwaltsfachangestellten gegenüber Ihre Anerkennung für die geleistete Arbeit entgegengebracht? Wenn nicht, ist es jetzt noch nicht zu spät!