AMLA – Angriff auf die Selbstverwaltung
AMLA – Angriff auf die Selbstverwaltung
Die Europäische Kommission hat am 20. Juli 2021 ein Gesetzgebungspaket zur Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung auf den Weg gebracht, dass u.a. einen Verordnungsvorschlag für die Einrichtung einer europäischen Aufsichtsbehörde zur Geldwäschebekämpfung (COM (2021) 421 final – „AMLA-VO-Entwurf“) sowie einen Vorschlag für eine sechste Geldwäscherichtlinie (COM (2021) 423 final – „AMLD-Entwurf“) vorsieht, nach welchem nationale Aufsichtsbehörden über Selbstverwaltungseinrichtungen geschaffen werden sollen. Entsprechende nationale Aufsichtsbehörden sollen danach sicherstellen, dass die Selbstverwaltungseinrichtungen – allen voran die Rechtsanwaltskammern – ihre Aufgaben „höchsten Standards“ entsprechend durchführen, die zu diesem Zweck den Anweisungen der neuen nationalen Aufsichtsbehörden unterworfen werden. Die neue europäische Aufsichtsbehörde (“Authority for Anti-Money Laundering and Countering the Financing of Terrorism“, kurz „AMLA”) wiederum soll nicht nur direkte Eingriffsbefugnisse im Bankensektor erhalten, sondern auch im Nichtfinanzsektor Verfahren gegen nationale Aufsichtseinrichtungen einleiten können, wenn diese ihre Aufsichtsaufgaben nicht hinreichend wahrnehmen. Die nationalen Aufsichtsbehörden werden insoweit umfassenden Informationspflichten über ihre Tätigkeit im Bereich der Geldwäscheaufsicht unterworfen, müssen ihre jeweiligen Maßnahmen erläutern und bei festgestellten Mängeln den Entscheidungen der AMLA nachkommen. Handelt es sich dabei um eine nationale Behörde, die die Aufsicht über Selbstverwaltungseinrichtungen ausübt, so können auch diesen Einrichtungen selbst unmittelbar Vorgaben gemacht werden, wenn die nationale Aufsichtsbehörde den Entscheidungen der AMLA nicht nachkommt. Damit werden die Rechtsanwaltskammern nicht nur einer Aufsicht neuer nationaler Behörden, sondern letztlich auch der AMLA selbst unterworfen.
Das alles ist weit mehr, als die bislang über die Rechtsanwaltskammern ausgeübte Rechtsaufsicht der Landesjustizministerien bzw. Behörden. Es handelt sich vielmehr um eine umfassende Fachaufsicht, die tief in die Unabhängigkeit der Rechtsanwaltskammern und damit in die anwaltliche Unabhängigkeit sowie die anwaltliche Verschwiegenheit eingreift.
Ohne hinreichenden empirischen Befund und ungeachtet des Umstands, dass die Geldwäscheaufsicht durch die Rechtsanwaltskammern noch recht jung ist, wird in den Erwägungsgründen des AMLD-Entwurfs behauptet, die Qualität und Intensität der Kontrollen der Selbstverwaltungseinrichtungen im Geldwäschebereich seien nicht ausreichend und unterlägen keiner oder nahezu keiner öffentlichen Kontrolle, weshalb es neuer Behörden bedürfe, die die Tätigkeit der Selbstverwaltungseinrichtung überwachen.
Das Europaparlament stößt in das gleiche Horn und findet in einer Entschließung vom 21. Oktober 2021 (P9_TA(2021)0438) harsche Worte gegen die Anwaltschaft und die anwaltliche Selbstverwaltung. Wie die Pandora-Papiere und frühere Enthüllungen aufgedeckt hätten, würden 14 professionelle Anbieter von Offshore-Unternehmensdienstleistungen, darunter Anwaltskanzleien, Steuerberater und Vermögensverwalter, vermögende Privatpersonen bei der Einrichtung von Unternehmensstrukturen unterstützen, um ihr Vermögen von der Öffentlichkeit abzuschirmen und gleichzeitig sicherstellen, dass diese Aktivitäten „innerhalb der Legalität“ blieben. Das EU-Parlament betont dabei, dass das „Anwaltsprivileg“ nicht dazu verwendet werden dürfe, illegale Praktiken zu decken. Das Parlament fordert, „Orientierungshilfen“ zur Auslegung und Anwendung des Rechtsanwaltsgeheimnisses für den Berufsstand herauszugeben und eine „klare Trennung zwischen herkömmlicher Rechtsberatung und Rechtsanwälten vorzunehmen, die als Finanzakteure auftreten.“ Herkömmliche Rechtsberatung versus Tätigkeit als Finanzakteur? Was soll ein „Finanzakteur“ sein? Wer regulierte Dienstleistungen, also z.B. Bankdienstleistungen, anbietet, unterliegt den geltenden Regularien. Rechtsberatung im Finanzbereich macht Rechtsanwälte aber nicht zum „Finanzakteur“ und ihr Handeln nicht deshalb illegal, weil es der Sicherstellung dient, dass sich der Mandant doch gerade nicht illegal verhält.
Bei allem Verständnis für eine Verstärkung der Geldwäschebekämpfung und Terrorismusfinanzierung gerade nach den Enthüllungen um Panama- und Pandora Papers: Hier kommt den europäischen Gesetzgebungsorganen das Verständnis für die Aufgaben der Anwaltschaft und deren Rolle im Rechtsstaat abhanden. Rechtsanwältinnen und -anwälte sind keine Gehilfen staatlicher Institutionen und es ist wahrlich nicht ihre Aufgabe, gesetzeswidriges oder gar nur unerwünschtes Verhalten ihrer Mandanten aufzudecken. Und es ist nicht hinnehmbar, dass das Parlament Anwältinnen und Anwälte unter Generalverdacht stellt, sie als Angehörige einer Berufsgruppe von Dienstleistern zur Steuervermeidung, -hinterziehung und Geldwäsche abqualifiziert, deren Marktzugang unterbunden werden müsse und deren Selbstverwaltung nicht dazu tauge, die Einhaltung von Geldwäschebestimmungen zu überwachen und Rechtsverstöße zu sanktionieren.
Unsere Kammer und die Bundesrechtsanwaltskammer haben umfassend zu den neuen europäischen Gesetzesvorhaben Stellung genommen und diese scharf kritisiert. Wir werden diese Vorhaben auch weiterhin äußert kritisch begleiten. Und sollte sich eine nationale „Geldwäschebekämpfungsaufsicht“ über die regionalen Rechtsanwaltskammern nicht verhindern lassen, so wird der nationale Gesetzgeber aufgefordert sein, dafür Sorge zu tragen, dass diese Aufsicht innerhalb der Selbstverwaltung angesiedelt wird – also bei der Bundesrechtsanwaltskammer. Eine staatliche Fachaufsicht über die Kammern und damit letztlich auch über die Anwaltschaft selbst darf es nicht geben!
Ihr
Dr. Christian Lemke
Präsident