HANSEATISCHE RECHTSANWALTSKAMMER HAMBURG
Ausgabe 2/2025 vom 14. März 2025

III. Tätigkeit des Vorstands im Berichtsjahr

16. Rechtspolitik

Im letzten Geschäftsbericht hatten wir ausführlich über die Zustände an den Hamburger Gerichten berichtet im Abschnitt „Rechtspolitik“, wobei nicht alle Gerichtszweige und nicht alle Gerichte gleich stark betroffen sind.

Die Gerichtsverwaltungen und die Politik haben das Problem erkannt und sind um Abhilfe bemüht, ohne dass sich dies in spürbaren Verbesserungen für die Rechtssuchenden und die Anwaltschaft bemerkbar machen würde. Dabei ist durch die anstehende Pensionierungswelle der „Baby-Boomer“ mit einer weiteren Zuspitzung der Lage zu rechnen – denn Abhilfe durch eine stärkere Digitalisierung scheint nicht in Sicht.

Hier wartet also auf die demnächst (bei Redaktionsschluss dieses Geschäftsberichts) zu wählende  Bürgerschaft und den kommenden Senat viel Arbeit.

 

 

Auch über die Diskussion über die Anhebung der Zuständigkeitsstreitwerte für die Amtsgerichte hatten wir im letzten Geschäftsbericht berichtet. Hier hat die Regierung einen Gesetzentwurf vorgelegt (siehe dazu die Meldung der BRAK vom 11.6.2024), der es auch in das parlamentarische Verfahren geschafft hat , aber nicht mehr beschlossen wurde. Hier wird der nächste Bundestag das Thema wieder aufgreifen müssen. 


Die Diskussionen über eine Reform des Zivilprozesses dauern an.

Inzwischen liegen die Berichte zweier wichtiger Arbeitsgruppen zu diesem Thema vor:

  • Zum einen hat die „Reformkommission Zivilprozess“ ihren Abschlussbericht mit Handlungsempfehlungen Die Reformkommission ist eine von den Justizministerinnen und Justizministern der Länder beauftragtes Gremium, das Vorschläge für den Zivilprozess der Zukunft erarbeiten und das Verfahrensrecht vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung überprüfen soll. Unser Präsident Dr. Christian Lemke war eines der Mitglieder dieser Reformkommission.
  • Zum anderen haben die OLG-Präsidentinnen und Präsidenten sowie des Kammergerichts, des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des Bundesgerichtshofs die Ergebnisse ihrer Initiative zum „Zivilprozess der Zukunft“ in einem Tagungsband der Abschlussveranstaltung vom 16.11.2024 veröffentlicht.

Es bleibt nun abzuwarten, welche dieser Vorschläge die Politik aufgreifen wird.

 

Die Möglichkeit der Schaffung von „Commercial Courts“ ist in 2024 beschlossen worden und Hamburg hat die Einrichtung eines solchen Commercial Courts und auch von Commercial Chambers am Landgericht beschossen; siehe dazu den Abschnitt „Berufsrecht“.

 

Bereits im letzten Geschäftsbericht hatten wir zu dem „Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten“ berichtet; dieses Gesetz ist jetzt im Juli 2024 in Kraft getreten.


Auch über das „Gesetz zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung (Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz – DokHVG)“ hatten wir schon im letzten Geschäftsbericht berichtet. Die Unterlagen zu diesem Gesetz finden Sie in der Datenbank des Bundestages hier

Das Gesetz ist zwar vom Bundestag beschlossen worden, aber der Bundesrat hat den Vermittlungsausschuss angerufen; dort ist das Gesetz bisher nicht weiter behandelt worden; siehe dazu den Bericht des Vermittlungsausschusses.

Die Anwaltschaft setzt sich seit Jahren dafür ein, dass auch bei strafgerichtlichen Hauptverhandlungen ein Inhaltsprotokoll geführt wird, dass also namentlich die Aussagen der Zeugen inhaltlich protokolliert werden und wird dieses Bestreben auch in der nächsten Legislaturperiode des Bundestags fortsetzen.

 


Lange haben die Kammern für eine Erhöhung der RVG-Gebühren gekämpft: nachdem es danach aussah, dass die Bemühungen jedenfalls in der laufenden Legislaturperiode nicht zum Erfolg führen würden, hat der Bundestag in einer seiner letzten Sitzungen doch noch eine Erhöhung beschlossen, siehe dazu die Nachrichten aus Berlin 3/2025. Jetzt hängt alles davon ab, ob der Bundesrat der Erhöhung zustimmt: bis zum Redaktionsschluss dieses Geschäftsberichts hatte er sich nicht mit der Sache befasst. 

 

 

Die Diskussionen über eine Reform des Berufsrechts dauern an. In der abgelaufenen Legislaturperiode hatte das Bundesjustizministerium einen „Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung aufsichtsrechtlicher Verfahren des Rechts der rechtsberatenden Berufe sowie zur Änderung weiterer Vorschriften“ vorgelegt. Im Kern geht es um eine Harmonisierung der Verfahren der verschiedenen Aufsichtsmaßnahmen der Kammern und um eine Regelung der „missbilligenden Belehrung“ im Gesetz; den Entwurf und weitere Einzelheiten, einschließlich einer Synopse, finden Sie auf den Seiten des BMJ. Die BRAK hat dazu eine Stellungnahme 91/2024 abgegeben.

Auch der DeutscheAnwaltVerein hat dazu eine Stellungnahme abgegeben: SN89/24. Damit knüpft der DAV an seinen Vorschlag aus 2022 an, der im Anwaltsblatt veröffentlicht worden war (siehe dazu schon unseren Geschäftsbericht 2023). Auch in seiner Stellungnahme jetzt schlägt der DAV eine weitergehende Reform vor – namentlich schlägt er (in einem neuen § 73c BRAO) die Ermöglichung öffentlich-rechtlicher Untersagungsverfügungen durch die Rechtsanwaltskammern vor. Die Kammern sollen so ermächtigt werden, Berufsrechtsverstöße umgehend zu unterbinden. Widersprüche gegen diese Untersagungsverfügungen sollen keine aufschiebende Wirkung haben, aber es soll einstweiliger Rechtsschutz durch die Anwaltsgerichte ermöglicht werden. Eine solche Untersagungsverfügung würde das bisherige System der Berufsaufsicht komplett ändern – bisher haben die Kammern (nur) die Möglichkeit einer repressiv wirkenden Rüge; schwerwiegendere Sanktionen können nur von den Anwaltsgerichten nach einer Anschuldigung durch die Generalstaatsanwaltschaft verhängt werden. Die Untersagungsverfügung wäre zum einen wegen der verbindlichen Untersagung, aber zum anderen vor allen Dingen wegen ihrer präventiven Wirkung ein viel schwerwiegenderer Eingriff als die Rüge. Eine präventive Untersagungsverfügung und der einstweilige Rechtsschutz würden auch andere Strukturen erfordern als sie derzeit in der Selbstverwaltung der Anwaltschaft vorhanden sind.

 

Die Diskussionen über die Neuordnung des Berufsrechts der Insolvenzverwalter, einschließlich der Frage, ob die Insolvenzverwalter Mitglied der Rechtsanwaltskammern werden sollen, ist auch in 2024 nicht zu einem Abschluss gekommen. Dieses Thema dürfte in der nächsten Legislaturperiode des Bundestages wieder aufgegriffen werden.

 

Zu den Auswirkungen des Gesetzes „zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt“, kurz „Legal-Tech-Gesetz“, namentlich den Möglichkeiten der Vereinbarung eines Erfolgshonorars, lief bis zum 12.1.2025 im Rahmen der Gesetzesevaluierung eine Umfrage der BRAK: die Ergebnisse stehen noch aus.

 


Die Diskussion über die Sammelanderkonten der Rechtsanwälte dauert an; siehe dazu schon den Geschäftsbericht 2023 im Abschnitt „Berufsrecht“.

Im Laufe des Jahres 2024 konnte trotz intensiver Diskussionen (in deren Zuge der Hauptgeschäftsführer der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Dr. Löwe als Sachverständiger im Rechtsausschuss angehört wurde) keine Lösung erzielt werden. Dabei drängt die Zeit: der Nicht-Anwendungserlass des Bundesfinanzministeriums wurde nur bis Ende 2025 verlängert, siehe dazu die Nachrichten aus Berlin 25/2024.

Sollte es weiterhin keine Aufsicht über die Sammelanderkonten geben, ist zu befürchten, dass es ab 2026 keine Sammelanderkonten mehr geben wird. Die Anwaltschaft könnte Fremdgelder dann nur noch über Einzel-Sammelanderkonten abwickeln. Berufsrechtlich wäre zwar auch eine Abwicklung über das Geschäftskonto der Kanzlei zulässig (wenn die Gelder unverzüglich weitergeleitet werden), aber die Banken sehen eine solche Nutzung des Kanzleikontos für Fremdgelder als unzulässig an und es steht zu befürchten, dass die Banken jedenfalls bei wiederholten Verstößen das Geschäftskonto der Kanzlei kündigen werden.

Für die Selbstverwaltung der Anwaltschaft kommt eine Aufsicht über die Sammelanderkonten durch eine staatliche Behörde nicht in Betracht. Eine manuelle „händische“ Prüfung von Sammelanderkonten in den Kanzleiräumen erscheint nicht praktikabel. Eine Lösung könnte hier eine Aufsicht durch eine eigens dafür geschaffene Einrichtung der Anwaltschaft nach dem Vorbild der französischen CARPA sein: wir verweisen auf eine kurze Einführung in das System der CARPA in englischer Sprache,


Ob es zu einer Reform der Geldwäscheaufsicht in Deutschland kommen wird, ist derzeit ungewiss. Das „Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetz“, das die Abläufe bei der Bekämpfung der Geldwäsche verbessern sollte, namentlich ein neues „Bundesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität“ schaffen sollte, ist nicht beschlossen worden (zum parlamentarischen Vorgang siehe die Datenbank des Bundestages) – es dürfte der Diskontinuität des Bundestags anheim fallen. Es bleibt daher abzuwarten, ob das neugewählte Parlament und die neue Regierung dieses Thema wieder aufgreifen werden.

 

Zur Rechtspolitik gehört auch das Engagement der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer für den Erhalt des Rechtsstaats.


Besonders erwähnenswert ist dabei eine Initiative aus dem Januar 2024: die Rechtsanwaltskammer hatte zur Teilnahme an der Demonstration „Hamburg steht auf!“ aufgerufen. Dieser Aufruf brachte der Kammer neben viel Zuspruch eine Dienstaufsichtsbeschwerde ein – die aber von der Justizbehörde zurückgewiesen wurde. Die Justizbehörde war ebenso wie die Kammer der Auffassung, dass die Kammer den ihr zugedachten Wirkungskreis nicht überschritten hat – die Kammer darf für die alle Mitglieder gleichermaßen berührenden Interessen mit berufspolitischem Bezug im Sinne einer freien Anwaltschaft eintreten. Siehe dazu den Bericht im Kammerreport 4/2024



An dieser Stelle wollen wir nocheinmal auf die Ergebnisse der Studie zu Angriffen auf Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte hinweisen. Die Ergebnisse für den Hamburger Kammerbezirk können Sie hier nachlegen: im Kammerreport 1/2025.


Dazu passt, dass in 2024 die Beratungen über eine europäische Konvention zum Schutz der Anwaltschaft gut vorangekommen sind. Der endgültige Text der Konvention soll schon im Februar 2025 vorliegen und die Ratifizierung dann ab Mai 2025 möglich sein. Die Konvention tritt in Kraft, wenn sie von mindestens acht Ländern ratifiziert wird; Einzelheiten dazu finden Sie im Kammerreport 1/2025.