HANSEATISCHE RECHTSANWALTSKAMMER HAMBURG
Ausgabe 4/2024 vom 29. August 2024

Die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft

Streit zwischen Rechtsanwalt und Mandant: mehr Schlichtung wagen

von Uta Fölster (Schlichterin)

Zum 1.1.2011 nahm in Berlin die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft (SdR) ihre Arbeit auf. Gäbe es sie noch nicht, müsste man sie erfinden, denn die SdR kann im Bereich der einvernehmlichen Streitbeilegung auf erfolgreiche Jahre zurückblicken. Was macht die SdR und was zeichnet sie aus? Zehn kurze Antworten auf häufig gestellte Fragen: 

Wofür ist die SdR zuständig? 

Sie soll und kann helfen, Streit zwischen Anwältin/Anwalt und Mandantin/Mandant zu schlichten, sofern 
  • es um eine „vermögensrechtliche“ Streitigkeit aus dem Mandatsverhältnis geht, deren Wert 50.000 € nicht übersteigt, und 
  • der Streit nicht bei Gericht rechtshängig ist oder war. 

Wer kann einen Schlichtungsantrag stellen?  


Sowohl die Anwältin/der Anwalt/ als auch die Mandantin/der Mandant. 

Muss die SdR tätig werden oder kann sie es auch ablehnen, einen Schlichtungsvorschlag zu erarbeiten? 

Ja, sie kann ablehnen. Außer den bereits genannten Voraussetzungen (Wertgrenze und gerichtliche Rechtshängigkeit) soll ein Antrag binnen drei Wochen zum Beispiel auch abgelehnt werden, wenn 
  • der Anspruch nicht zuvor gegenüber der anderen Partei geltend gemacht worden ist, 
  • der Antrag offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat oder mutwillig erscheint, 
  • eine berufsrechtliche Überprüfung bei der Rechtsanwaltskammer oder eine strafrechtliche Überprüfung bei der Staatsanwaltschaft anhängig ist. 

Wie wird geschlichtet? 

Das Verfahren ist freiwillig und kostenfrei. Mündliche Verhandlungen und Beweisaufnahmen finden nicht statt. 

Ein Schlichtungsantrag muss schriftlich gestellt werden. Liegen keine Ablehnungsgründe vor, haben die Parteien rechtliches Gehör erhalten und sind alle notwendigen Unterlagen eingereicht, so unterbreitet die SdR ab diesem Zeitpunkt binnen 90 Tagen einen Schlichtungsvorschlag. Der Vorschlag enthält einen Tatbestand, also eine Zusammenfassung des Sachverhalts, und eine rechtliche Würdigung. Die Parteien können den Vorschlag ohne weitere Begründung annehmen oder ablehnen. Nehmen beide den Vorschlag an, schließen sie damit einen außergerichtlichen Vergleich, an den sie gebunden sind. Lehnt auch nur eine Seite den Vorschlag der SdR ab, ist das Verfahren beendet. Es bleibt den Parteien nach erfolglosem Abschluss des Schlichtungsverfahrens unbenommen, ein gerichtliches Verfahren einzuleiten. 

Was ist mit Verjährungsfristen? 

Unter bestimmten Voraussetzungen kann mit Eingang des Antrages bei der SdR die Verjährung für die Dauer des Verfahrens gehemmt werden.  
Das gilt jedenfalls dann, wenn 
  • die SdR die zuständige Schlichtungsstelle ist, 
  • Ablehnungsgründe nicht vorliegen, 
  • der Anspruch sich ausreichend konkret aus dem Vortrag und den Unterlagen ergibt, 
  • die gegnerische Seite nicht bereits im Vorfeld signalisiert hat, an einem Schlichtungsverfahren nicht teilzunehmen. 

Warum mehr Schlichtung wagen? 

Erfolgreiche Schlichtung spart zum einen Geld und Nerven. Anders als ein streng formalisiertes und u.U. kostenintensives gerichtliches Verfahren bietet die flexible Streitschlichtung größeren Raum für Kulanz und Interessenabwägungen. Sie kann stärker Rücksicht nehmen auf das, was im Einzelfall „recht und billig“ ist, und bietet deshalb größere Gewähr für einen dauerhaften Frieden zwischen den Streitenden.  

Außerdem spart die Schlichtung Zeit: Sie dauert bei der SdR im Schnitt nur ca. vier Monate, ein gerichtliches Zivilverfahren (1. und 2. Instanz) hingegen im Schnitt rund 18 Monate. 

Und auch, wenn ein Schlichtungsvorschlag nicht angenommen wird, so dürfte die Lektüre der gründlichen rechtlichen Ausführungen in dem einen oder anderen Fall zu einem Erkenntnisgewinn führen.  

Wer arbeitet bei der SdR? 

Beschäftigt sind aktuell eine Schlichterin, ihr Stellvertreter, ein Geschäftsführer (Anwalt), sechs Anwältinnen und Anwälte (jeweils in Teilzeit) sowie fünf Assistentinnen und Assistenten. Beratend steht der SdR ein neunköpfiger Beirat zur Seite. 

Was macht den Erfolg der SdR aus? 

Jährlich gehen ca. 1.000 Anträge ein, meist gestellt von Mandantinnen und Mandanten. In rund 400 Verfahren unterbreitet die SdR Schlichtungsvorschläge. Ganz überwiegend sehen die Vorschläge ein gegenseitiges Nachgeben vor, die Annahmequote betrug zuletzt 64% - eine erfolgreiche Bilanz für die SdR und vor allem für die streitenden Parteien. 

Wir würden uns freuen, wenn noch mehr Anwältinnen/Anwälte von sich aus eine Schlichtung beantragten. 

Ist die SdR unabhängig? 

Ja. Dazu verpflichten die rechtlichen Vorgaben des Verbraucherstreitbeilegungsgesetz, der BRAO und der Satzung der Schlichtungsstelle. Sie schreiben die Unabhängigkeit der Einrichtung, die Unparteilichkeit und Verschwiegenheitspflicht ihrer Beschäftigten fest und sehen u. a. vor, dass eine Schlichterin/ein Schlichter nicht Anwältin/Anwalt sein darf. So waren und sind seit der Gründung der SdR ausschließlich frühere Richterinnen/Richter als Schlichterin/Schlichter tätig. Zwar ist die SdR aus organisatorischen Gründen bei der BRAK angesiedelt, sie ist jedoch in ihrer inhaltlichen Arbeit weisungsfrei. 

Wo gibt es nähere Informationen? 

Unter www.s-d-r.org. Gern stehen wir Ihnen auch telefonisch zur Verfügung unter 030/28 44 41 70.