HANSEATISCHE RECHTSANWALTSKAMMER HAMBURG
Ausgabe 4/2024 vom 29. August 2024

Neuregelung: Schriftliche Parteianträge und empfangsbedürftige Willenserklärungen

Der Gesetzgeber hat im Interesse einer möglichst umfassenden elektronischen und medienbruchfreien Kommunikation zwei wichtige Änderungen in den Verfahrensordnungen vorgenommen. Beide Gesetzesänderungen erfolgten durch das Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz und traten am 17.7.2024 in Kraft.

1.   Die eine Regelung betrifft schriftliche Anträge und Erklärungen der Partei. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind bekanntlich verpflichtet, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln (§ 130d ZPO). Was aber passiert mit Anträgen und Erklärungen, die von der Partei selbst zu unterzeichnen sind? Wollte man einen schriftlichen Antrag der Partei elektronisch einreichen, hätte nach dem Wortlaut des § 130a Abs. 3 S. 1 ZPO („verantwortenden Person“) der Antrag von der Partei selbst qualifiziert elektronisch signiert werden müssen.

Weil aber die wenigstens Parteien über eine eigene qualifizierte elektronische Signatur verfügen, hat der Gesetzgeber im Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz reagiert und im Interesse einer möglichst umfassenden elektronischen und medienbruchfreien Kommunikation für Abhilfe geschaffen:

Seit dem 17.7.2024 kann der unterschriebene Antrag oder die unterschriebene Erklärung gescannt und von der Rechtsanwältin oder dem Rechtsanwalt entweder mit dessen/deren qualifizierter elektronische Signatur oder selbstversendend elektronisch übermittelt werden (vgl. § 130a Abs. 3 S. 3 ZPO n.F. sowie die Parallelvorschriften in den anderen Verfahrensordnungen).

2.   Die andere Gesetzesänderung betrifft den neuen § 130e ZPO (sowie die Parallelvorschriften in den anderen Verfahrensordnungen), mit dem die wirksame Abgabe und der wirksame Zugang von empfangsbedürftigen Willenserklärungen in elektronisch eingereichten Schriftsätzen erleichtert werden sollen. Ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die der schriftlichen oder elektronischen Form bedarf, klar erkennbar in einem vorbereitenden Schriftsatz enthalten, der als elektronisches Dokument nach § 130a ZPO bei Gericht eingereicht und dem Empfänger zugestellt oder mitgeteilt wurde, so gilt die Willenserklärung als in schriftlicher oder elektronischer Form zugegangen (§ 130e S. 1 ZPO neu). Dies gilt auch dann, wenn die Ersetzung der schriftlichen Form durch die elektronische Form ausgeschlossen ist (§ 130e S. 2 ZPO).

Im Hinblick auf eine elektronische und medienbruchfreie Kommunikation hat diese Regelung allerdings eine Schwäche: Die Wirksamkeit eines einseitigen Rechtsgeschäfts, das ein Bevollmächtigter, also auch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, einem anderen gegenüber vornimmt, ist unwirksam, wenn der Bevollmächtigte seine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der Empfänger das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist, § 174 S. 1 BGB. Für die Vorlage der Vollmachtsurkunde hat der Gesetzgeber kein elektronisches Surrogat geschaffen, so dass Vollmachtsurkunden weiterhin im Original vorzulegen sind, um die Folgen des § 174 S. 1 BGB zu vermeiden.