HANSEATISCHE RECHTSANWALTSKAMMER HAMBURG
Ausgabe 4/2024 vom 29. August 2024

LAG Baden-Württemberg: Keine Berufung durch Syndikusrechtsanwalt zulässig

Ein Syndikusrechtsanwalt, der zugleich als niedergelassener Rechtsanwalt zugelassen ist, legte in einem Kündigungsschutzverfahren für seine nichtanwaltliche Arbeitgeberin (und zugleich Beklagte) beim Landesarbeitsgericht Berufung ein. Er verfasste die Berufungsschrift auf dem Briefbogen der Unternehmensgruppe, zu der auch die Beklagte gehört. Auf dem Briefbogen stehen seine dortigen dienstlichen Kontaktdaten (Telefonnummer und E-Mail-Adresse). In der Signaturzeile bezeichnet er sich als „Rechtsanwalt | Fachanwalt für Arbeitsrecht | Syndikusrechtsanwalt“. Die Versendung erfolgte aber über das beA als niedergelassener Rechtsanwalt. Auch bei der Sachbearbeiterbezeichnung auf dem Briefbogen bezeichnete er sich als „Rechtsanwalt“ und im Rubrum als „Prozessbevollmächtigter“ mit Angabe seiner Kanzleianschrift als niedergelassener Rechtsanwalt.

Schon in der ersten Instanz vor dem Arbeitsgericht nutzte der Rechtsanwalt sein beA als niedergelassener Rechtsanwalt, trat in dieser Instanz allerdings als „Head of Labour Relations“ der Beklagten auf. Dort verwendete er das Briefpapier der Beklagten mit seinen dienstlichen Kontaktdaten. Auch hier wurden die Schriftsätze signiert mit „Rechtsanwalt | Fachanwalt für Arbeitsrecht | Syndikusrechtsanwalt“.

Nach Auffassung des LAG wurde die Berufung nicht durch einen postulationsfähigen Vertreter eingelegt. Vorliegend komme nach § 11 Abs. 4 S. 2, 1. Alt. ArbGG nur eine Vertretung als „Rechtsanwalt“ in Betracht. Allerdings könne nicht eindeutig ermittelt werden, in welcher Funktion der Vertreter der Beklagten handelte. Die Auslegung der Berufungsschrift sei uneindeutig. Die „objektive Beweislast“ für das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen trage derjenige, der sich auf diese beruft. Die verbleibenden Zweifel gingen somit zu Lasten der Beklagten.

Bemerkenswert bei der Urteilsbegründung ist aber, dass das LAG zumindest berufsrechtlich nicht auf der Höhe der Zeit ist. So geht es offensichtlich immer noch davon aus, dass Rechtsanwälte bei einem deutschen Gericht zugelassen sind (Rn. 15). Schlimmer ist aber, dass das Gericht dem Syndikusrechtsanwalt die Eigenschaft als „Rechtsanwalt“ und sogar die Funktion als Organ der Rechtspflege abspricht, wenn es ausführt (Rn. 15), dass nur der (niedergelassene) „Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) unabhängig von Weisungen seines Mandanten die Verantwortung für die Prozesshandlungen übernimmt. Eine solche Unabhängigkeit ist bei vertraglich gebundenen Syndikusanwälten nicht gegeben. Diese unterliegen im Rahmen ihres Vertragsverhältnisses den Weisungen ihres Arbeitgebers und stehen zu diesem in einem Verhältnis der Über- und Unterordnung. Daraus folgt, dass bloße Syndikusanwälte in dieser Funktion nicht postulationsfähig sind i.S.v. § 11 Abs. 4 ArbGG (BAG 19. März 1996 - 2 AZB 36/95 -).“

Dem LAG ist nicht nur entgangen, dass nach § 46c Abs. 1 BRAO die Syndikusrechtsanwälte den Rechtsanwälten im Sinne der BRAO gleichstellt sind. Vor allem aber ist dem Gericht entgangen, dass Syndikusrechtsanwälte nach § 46 Abs. 3 und 4 BRAO fachlich unabhängig sind und ein Vertretungsverbot vor den Gerichten nicht mehr auf die fehlende Unabhängigkeit gestützt werden kann (vgl. Henssler/Prütting/Henssler, 6. Aufl. 2024, BRAO § 46c Rn. 20). Auch bei Anwendung der aktuellen Rechtslage würde man vorliegend aber möglicherweise zu demselben Ergebnis kommen, denn der Gesetzgeber hat aus anderen Erwägungen heraus den § 46c Abs. 2 Nr. 2 BRAO geschaffen, wonach Syndikusrechtsanwälte ihre Arbeitgeber u.a. nicht vor dem Landesarbeitsgericht vertreten dürfen. Spannend wäre dann allerdings die Frage, inwiefern ein rein berufsrechtliches Verbot zur prozessualen Unwirksamkeit der Berufungseinlegung führt.

LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.4.2024 – 4 Sa 12/24