HANSEATISCHE RECHTSANWALTSKAMMER HAMBURG
Ausgabe 4/2024 vom 29. August 2024

BGH: Anforderungen an den Nachweis verloren gegangener Post

Der BGH-Senat für Anwaltssachen hatte sich mit verspätet eingereichten Klageschriften, verloren gegangener Post und einem Wiedereinsetzungsantrag auseinandersetzen. Im Kern ging es um folgenden Sachverhalt:

Die Zulassung eines Rechtsanwaltes wurde widerrufen. Der Widerruf wurde dem Rechtsanwalt am 29.11.2021 zugestellt, für die Einlegung eines Rechtsmittels gilt die Monatsfrist. Mit Schriftsätzen vom 8. und 9.4.2022, beim AGH per Post am 11. und 12.4.2022 eingegangen, erhob der Rechtsanwalt – der zu dem Zeitpunkt schon keiner mehr war und deshalb über kein beA mehr verfügte – Klage gegen den Widerruf und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags trug der Rechtsanwalt vor, er habe bereits am 5.12.2021 eine an den AGH und an die Bekl. gerichtete Klageschrift im Beisein von zwei Zeugen in einen Postbriefkasten in F. sowie ein weiteres Exemplar dieser Klageschrift in den Hausbriefkasten des AGH eingeworfen. Diese Angaben hat er anwaltlich versichert und bezüglich des Einwurfs in den Postbriefkasten eidesstattliche Versicherungen der von ihm dazu benannten zwei Zeugen vorgelegt.

Mit dieser Argumentation hatte der Rechtsanwalt weder vor dem AGH noch vor dem BGH Erfolg. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sei einer Partei, die behauptet, ein fristgebundener Schriftsatz sei auf dem Postweg verloren gegangen, Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn sie aufgrund einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe bis zur rechtzeitigen Aufgabe des in Verlust geratenen Schriftsatzes zur Post glaubhaft macht, dass der Verlust mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht in ihrem Verantwortungsbereich bzw. nicht im Verantwortungsbereich ihres Verfahrensbevollmächtigten eingetreten ist. Die eine Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen müsse die Partei im Rahmen ihres Antrags auf Wiedereinsetzung jedenfalls innerhalb der Antragsfrist gem. § 112c Abs. 1 S. 1 BRAO§ 60 Abs. 2 VwGO vortragen und glaubhaft machen.

Danach hätte es auch vorliegend einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung eines Geschehensablaufs bedurft, der es zumindest indiziell überwiegend wahrscheinlich erscheinen ließ, dass die konkret streitgegenständliche Klageschrift tatsächlich am 5.12.2021 fertiggestellt, ordnungsgemäß an den AGH adressiert und frankiert war und sich bei den vom Rechtsanwalt nach seiner Behauptung um 17.00 Uhr im Beisein der benannten Zeugen in den Postbriefkasten eingeworfenen Schreiben befand. Eine solche schlüssige Darlegung des Geschehensablaufs bis zur behaupteten Aufgabe der Klageschrift am 5.12.2021 fehle vorliegend. Der diesbezügliche Vortrag des Rechtsanwaltes in seinem Wiedereinsetzungsantrag beschränke sich auf die Angabe, er habe den Brief mit der Klageeinlegung am 5.12.2021 um 17.00 Uhr im Beisein der von ihm benannten Zeugen W und YK, die an diesem Tag wie schon zuvor in seinem Büro gewesen seien und ihm geholfen hätten, in den von ihm bezeichneten Postbriefkasten geworfen. Damit habe der Rechtsanwalt zwar angegeben, wann und von wem die Klageschrift in den Briefkasten eingeworfen worden sein soll. Abgesehen davon ist seinem Vorbringen aber weder eine schlüssige Darlegung der Fertigstellung der Klageschrift und ihrer Vorbereitung für den Versand zu entnehmen, noch inwiefern die benannten Zeugen, bei denen es sich um Mandanten des Rechtsanwaltes handeln soll, mit der hier streitgegenständlichen Klageschrift befasst gewesen sein sollen und deswegen Angaben dazu machen könnten, dass es sich bei dem in den Briefkasten eingeworfenen Schreiben tatsächlich um diesen Schriftsatz handelte. Auch aus den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der beiden Zeugen ergäbe sich nichts Näheres, da darin lediglich erklärt wird, der eingeworfene Brief habe die Klage gegen den Widerruf der Zulassung betroffen. Die anwaltliche Versicherung dieses (unzureichenden) Vortrags durch den Rechtsanwalt vermöge als solche den fehlenden Sachvortrag ebenfalls nicht zu ersetzen.

BGH Beschluss vom 25.4.2024 – AnwZ (Brfg) 34/22