HANSEATISCHE RECHTSANWALTSKAMMER HAMBURG
Ausgabe 4/2025 vom 4. September 2025

OLG Köln: Berufung ist unzulässig, wenn Sekretariat die qeS anbringt

Die qualifizierte elektronische Signatur muss vom Rechtsanwalt persönlich angebracht werden; eine durch das Kanzleipersonal vorgenommene Signatur unter Verwendung von Signaturkarte des Rechtsanwaltes und PIN wahrt die Form nicht.

Das Oberlandesgericht Köln hatte über die Zulässigkeit einer Berufung zu entscheiden, die im elektronischen Rechtsverkehr eingereicht worden war. Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründung wurden jeweils mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen und aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) des Beklagtenvertreters übermittelt. Allerdings hatte nicht der Rechtsanwalt selbst signiert, sondern seine Sekretärin unter Verwendung seiner Signaturkarte nebst PIN. Auch die Versendung erfolgte durch die Sekretärin. In der mündlichen Verhandlung sowie in dem Schriftsatz eines Parallelverfahrens schilderte er die Arbeitsabläufe: Da er noch Papierakte führe, werde ihm der Schriftsatz in Papier vorgelegt und er bringe darauf die Korrekturen an. Wenn der Schriftsatz fertig ist, unterschreibe er ihn handschriftlich und übergebe ihn seiner Sekretärin. Diese wisse dann, dass die elektronisch bereits vorbereiteten Schriftsätze „raus könnten“ und alles Weitere geschehe dann sozusagen „auf Knopfdruck“ im Computer. Die Sekretärin rufe den Schriftsatz im Computer auf, führe die Signaturkarte in den Chipkartenleser ein und gebe dort die ihr längst geläufige PIN ein. Im Anschluss hieran nehme sie die Übertragung des vom Unterzeichner unterschriebenen, im PC gespeicherten Schriftsatzes per beA vor. Er stehe in der Regel daneben, da er überwachen wolle, dass das Schriftstück rausgehe. Er bekomme dann auf seinem Drucker einen Sendebericht ausdruckt und überprüfe damit, ob die Sache an den richtigen Empfänger übermittelt worden ist.

Das OLG Köln verwarf die Berufung als unzulässig. Nach § 130a Abs. 3 ZPO müssten bestimmende Schriftsätze entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen oder von dieser einfach signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Die qualifizierte elektronische Signatur ersetze die eigenhändige Unterschrift und müsse daher vom Rechtsanwalt persönlich angebracht werden. Eine von Dritten angebrachte Signatur genüge nicht, selbst wenn der Anwalt den Inhalt des Schriftsatzes geprüft und freigegeben hat. Die Überlassung von Signaturkarte und PIN an Kanzleipersonal sei unzulässig, da sie den Anschein erweckt, der Anwalt habe selbst signiert. Auch die alternative Form – einfache Signatur und persönliche Übermittlung über einen sicheren Übermittlungsweg – sei nicht gewahrt, weil die Versendung nicht durch den Rechtsanwalt selbst erfolgte.

Im Übrigen könne von einer wirksamen qualifizierten elektronischen Signatur ohnehin nur dann die Rede sein, wenn der Rechtsanwalt den Inhalt des betreffenden Schriftsatzes zuvor geprüft und sich zu eigen gemacht hat. Dazu müsse der Anwalt sicherstellen, dass das von seiner Sekretärin für die Anbringung der Signatur aufgerufene Dokument inhaltlich mit dem Schriftsatz übereinstimmt, den er – im vorliegenden Fall mit seiner Unterschrift – autorisiert hat. Denn gerade im elektronischen Rechtsverkehr könne aufgrund von häufigen Kopier- und Speichervorgängen, bei denen letztlich jedes Mal ein neues elektronisches Dokument geschaffen wird, nicht ausgeschlossen werden, dass das Dokument fehlerhaft abgespeichert wird. Dies sei durch die Handhabung in der Kanzlei des Rechtsanwaltes nicht gewährleistet. Eine solche Überprüfung sei in der beschriebenen Art und Weise gar nicht möglich. Vielmehr gehe es ihm offensichtlich – ebenso wie bei der Kontrolle des ausgedruckten Sendeberichts – nur darum zu prüfen, dass der Schriftsatz ordnungsgemäß an den richtigen Empfänger übermittelt worden ist. Was die inhaltliche Übereinstimmung des tatsächlich signierten und versandten Dokuments mit dem tatsächlich Gewollten betrifft, verlasse der Rechtsanwalt sich hingegen völlig auf die Loyalität und Sorgfalt seiner Sekretärin, die damit – anders als das Gesetz dies verlangt – durch „ihre“ Signatur die Letztverantwortung für den Inhalt des betreffenden Schriftsatzes übernehme. Vor diesem Hintergrund könne aber keine Rede davon sein, dass der Rechtsanwalt sich den Inhalt des tatsächlich von seiner Mitarbeiterin signierten Schriftsatzes zu eigen macht.

Schließlich sei auch der Einwand des Rechtsanwaltes unbeachtlich, wonach es von ihm nicht erwartet werden könne, einen Schriftsatz mit einer Vielzahl von Anlagen selbst auf elektronischem Weg herauszuschicken; er müsse vielmehr die Möglichkeit haben, diese Tätigkeit auf eine Sekretärin zu übertragen. Hier übersehe der Rechtsanwalt, dass für den Schriftsatz das Versenden durch die verantwortende Person zur Formwahrung überhaupt nicht erforderlich sei, sofern er nur zuvor ordnungsgemäß mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen wurde. Vielmehr bestehe die die Möglichkeit, das Dokument durch Mitarbeiter an das Gericht versenden zu lassen, sofern es zuvor – eigenhändig durch den Rechtsanwalt – qualifiziert elektronisch signierte wurde.

Das OLG ließ die Revision zu, da die Frage, ob und unter welchen Bedingungen ein Rechtsanwalt die Anbringung einer qualifizierten elektronischen Signatur delegieren darf, höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt ist.

OLG Köln, Urteil vom 12.6.2025 – 24 U 92/24