HANSEATISCHE RECHTSANWALTSKAMMER HAMBURG
Ausgabe 4/2025 vom 4. September 2025

Anwalt in eigener Sache und Pflicht zur elektronischen Einreichung bei Gericht

Bekanntlich müssen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte seit dem 1.1.2022 ihre Schriftsätze und Anträge grundsätzlich als elektronisches Dokument über einen sicheren Übermittlungsweg an die Gerichte übermitteln. Wie bereits im Kammerreport, Ausgabe 4/2024, berichtet, entschied der BGH am 4.4.2024 (I ZB 64/23), dass diese Pflicht nicht nur bei der beruflichen Tätigkeit für Mandantinnen und Mandanten gilt, sondern auch dann, wenn Anwältinnen und Anwälte in eigener Sache – also privat – handeln. Nach Auffassung des BGH ergebe sich schon aus dem Wortlaut des § 130d Satz 1 ZPO keine Beschränkung auf den Fall der Vertretung einer Partei durch einen Rechtsanwalt. Auch aus dem Zweck der Norm, den elektronischen Rechtsverkehr auf breiter Ebene zu etablieren, ließe sich ein weites, statusbezogenes Verständnis der Nutzungspflicht entnehmen.

In einer jüngeren Entscheidung vom 27.3.2025 (V ZB 27/24) schloss sich der V. Zivilsenat der Auffassung des I. Zivilsenats des BGH bezüglich der Annahme einer statusbezogenen Pflicht an: Ein Rechtsanwalt, der in einem Teilungsversteigerungsverfahren in eigener Sache tätig wird, ohne als Rechtsanwalt aufzutreten, sei demnach zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht verpflichtet, wenn er Rechtsmittel einlegt. Etwas anderes könne man auch nicht daraus schließen, dass das Gesetz zur privaten Nutzung schweigt, denn ein Verbot bedürfte – wenn es überhaupt zulässig wäre – einer ausdrücklichen Regelung. Außerdem brächte die Differenzierung nach Rollen absehbar Rechtsunsicherheiten mit sich, insbesondere wenn der Rechtsanwalt im Laufe des Verfahrens teilweise als solcher und teilweise als Privatperson auftritt.

Der BGH betont in dieser jüngeren Entscheidung auch, dass die Pflicht zur elektronischen Einreichung in privaten Angelegenheiten keiner aktiven Nutzungspflicht des beA gleichkommt, auch wenn die Nutzung des ohnehin vorhandenen beA naheliegt. Wenn ein Rechtsanwalt nicht möchte, dass Kanzleimitarbeiter Kenntnis von seinen privat geführten Verfahren erhalten, könne er auch die anderen in § 130a Abs. 4 ZPO erwähnten Übermittlungswege nutzen und sich beispielsweise ein De-Mail-Konto einrichten. Was das Gericht nicht bedenkt: Diese Überlegung ist nicht nur lebensfremd, sondern schützt den Anwalt auch nicht davor, trotz eines eingerichteten De-Mail-Kontos seitens des Gerichts über das beA angeschrieben zu werden.

Im Widerspruch zu dieser BGH-Rechtsprechung steht das Urteil des Finanzgerichts (FG) Berlin-Brandenburg vom 10.6.2025 (3 K 3005/23), wonach ein Rechtsanwalt in eigener Sache für die Klageeinreichung das beA manchmal auch nicht nutzen muss. Nach Auffassung des FG ist dies zumindest dann der Fall, wenn Firmeninterna (wie Steuerdaten sowie vertraglich geschützte Informationen über die Sozietätsgewinne und die Gewinnanteile der einzelnen Partner) zu schützen sind und die Nutzung des beA daher „unzumutbar“ sei. Dogmatisch ist dieses Urteil jedoch nicht überzeugend, da die Verfahrensordnungen nicht auf die Zumutbarkeit abstellen. Die Frage der Pflicht zur Einreichung elektronischer Dokumente kann in privaten Angelegenheiten nur über eine status- oder rollenbezogene Auslegung gelöst werden. Und der BGH hat sich unmissverständlich für eine statusbezogene Auslegung entschieden. Nach der Logik des BGH wäre es dem Kläger in dem finanzgerichtlichen Verfahren dann eben zuzumuten gewesen, anstelle des beA einen anderen zugelassenen Übertragungsweg (z.B. De-Mail) zu nutzen. Es ist sehr bedauerlich, dass die Revision nicht zugelassen wurde. Angesichts der gegenteiligen Auffassung des BGH dürfte die Auffassung des FG in der Rechtsprechung eine Einzelmeinung bleiben.

Weiterführende Links:
Kammerreport Ausgabe 4/2024 vom 29.8.2024
BGH, Beschluss vom 4.4.2024 – I ZB 64/23
BGH, Beschluss vom 27.3.2025 – V ZB 27/24
Pressemitteilung der Finanzgerichtsbarkeit Berlin-Brandenburg vom 19.6.2025