HANSEATISCHE RECHTSANWALTSKAMMER HAMBURG
Ausgabe 4/2025 vom 4. September 2025

OLG Düsseldorf: Schweigepflicht des Rechtsanwalts ist zeitlich unbegrenzt

Amtliche Leitsätze:

1. Die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwaltes umfasst alles, was ihm in Ausübung seines Berufs bekannt geworden ist, ohne dass es darauf ankommt, von wem und auf welche Weise er sein Wissen erworben hat.
2. Das Zeugnisverweigerungsrecht des Berufsgeheimnisträgers besteht zeitlich unbegrenzt.
3. Eine Gesellschaft ausländischen Rechts, die in Folge der Löschung im Register ihres Heimatstaates durch eine behördliche Anordnung ihre Rechtsfähigkeit verliert, besteht für ihr in Deutschland belegenes Vermögen als Restgesellschaft fort.
4. Nur der Mandant kann einen Rechtsanwalt von seiner Verschwiegenheitspflicht entbinden. Sind mehrere Mandanten vorhanden, müssen alle eine entsprechende Erklärung abgeben.
5. Wenn über das Vermögen der juristischen Person das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt worden ist, ist allein der Insolvenzverwalter zur Entbindung von der Verschwiegenheit berechtigt, soweit das Vertrauensverhältnis Angelegenheiten der Insolvenzmasse betrifft.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat klargestellt, dass das berufsrechtliche Zeugnisverweigerungsrecht eines Rechtsanwalts gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO in Verbindung mit § 43a Abs. 2 BRAO zeitlich unbegrenzt besteht und auch durch die Liquidation einer juristischen Person nicht automatisch erlischt. Die Entscheidung betrifft einen Zwischenstreit im Rahmen eines Insolvenzverfahrens, in dem ein Rechtsanwalt als Zeuge geladen war. Der Rechtsanwalt nahm an Vertragsverhandlungen teil und sollte Jahre später zu den Umständen dieser Gespräche aussagen. Der Rechtsanwalt verweigerte die Aussage unter Berufung auf seine anwaltliche Schweigepflicht, da keine Entbindung durch seine Mandantin trotz entsprechender Anfragen von ihm erfolgt sei.

Das OLG Düsseldorf bestätigte die Berechtigung zur Aussageverweigerung. Es stellte fest, dass die anwaltliche Schweigepflicht alles umfasse, was dem Rechtsanwalt in Ausübung seines Berufs bekannt geworden ist – unabhängig davon, von wem und auf welche Weise. Diese Pflicht bestünde auch nach Beendigung des Mandats fort und ende nicht durch Liquidation oder Löschung der Mandantin im Handelsregister. Eine Entbindung könne nur durch den Mandanten selbst erfolgen; bei mehreren Mandanten müssten alle zustimmen. Im Fall einer juristischen Person im Insolvenzverfahren sei der Insolvenzverwalter zur Entbindung berechtigt, soweit die Angelegenheit die Insolvenzmasse betrifft. Da eine solche Entbindung im vorliegenden Fall nicht vorlag, sei der Rechtsanwalt zur Aussageverweigerung berechtigt.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.7.2025 – 12 W 5/25