Alter schützt vorm beA nicht (II)
Ein 72jähriger Rechtsanwalt erklärte, dass er für Rechtsuchende nicht mehr erreichbar sein wolle und sich deshalb nicht für das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) registriere werde. Die dortige Rechtsanwaltskammer forderte ihn dennoch zur Erstregistrierung auf, da die Pflicht zur Nutzung des beA für alle Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gilt –auch für diejenigen, die nicht mehr aktiv arbeiten. Daraufhin reichte der Anwalt eine Feststellungsklage beim Anwaltsgerichtshof ein, zunächst in Papierform und später als eingescannte, handunterschriebene PDF-Datei über das beA eines Kollegen. Dieser Kollege wies jedoch ausdrücklich darauf hin, dass er für den Inhalt nicht verantwortlich sei.
Der Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen (AGH NRW) wies die Klage bereits als unzulässig ab, weil sie nicht in der vorgeschriebenen Form eingereicht worden sei: Die Klage hätte als elektronisches Dokument (§ 112c BRAO i.V.m. § 55a VwGO) und nicht in Papierform eingereicht werden müssen. Auch der spätere beA-Versand eines Scans der Klage mache die Klage nicht zulässig, weil die den Schriftsatz verantwortende Person – hier der 72jährige Rechtsanwalt – weder den Schriftsatz aus dem eigenem beA selbst versendet noch diesen mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versendet habe. Denn das beA sei personenbezogen; ein Versand aus ihm durch Dritte sei ohne qualifizierte elektronische Signatur unwirksam. Andernfalls wären unautorisierte Übermittlungen und Manipulationen des Textes nicht ausgeschlossen, weil der Inhaber eines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs auch anderen Personen eine Zugangsberechtigung einräumen dürfe und einfache Signaturen auch von solchen Personen angebracht werden könnten. Das Erfordernis der persönlichen Übermittlung durch die verantwortende Person sei somit kein Selbstzweck, sondern solle wie bei der handschriftlichen Unterzeichnung die Identifizierung des Urhebers einer Verfahrenshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen.
Auch wenn es darauf nicht mehr ankam, wies der AGH darauf hin, dass die Klage auch in der Sache unbegründet wäre. Der Kläger sei nach § 31a Abs. 1 S. 1, Abs. 6 BRAO dazu verpflichtet, die für die Nutzung des für ihn als zugelassenen Rechtsanwalt eingerichteten beAs als erforderliche technische Einrichtung vorzuhalten sowie Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das beA zur Kenntnis zu nehmen. Hierfür gäbe es auch keine gesetzliche oder sonstige Ausnahme. Wenn der Kläger die Pflichten eines zugelassenen Rechtsanwalts nicht (mehr) erfüllen will – könne und müsse er seine Zulassung zurückgeben.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich ein Anwaltsgerichtshof mit dem beA für Rechtsanwälte im höheren Alter befassen musste: Wie wir in unserem Kammerreport vom 24.11.2016 (Seite 9: „Alter schützt vorm beA nicht“) berichteten, entschied bereits der Niedersächsische Anwaltsgerichtshof, dass die BRAK das beA für jeden eingetragenen Rechtsanwalt, unabhängig von dessen Alter, einzurichten hat. Auch sei es nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber hierfür keine Ausnahmeregelungen vorgesehen hat. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine ausdrücklich gesetzlich geregelte passive Nutzungspflicht, denn § 31a Abs. 6 BRAO wurde erst zum 1.1.2018 eingeführt.
AGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.2.2025 – 1 AGH 43/24