OLG Braunschweig: Versand über fremdes beA ohne qeS
2. Das gilt auch dann, wenn zu diesem Zeitpunkt die Übermittlung über das eigene beA technisch gestört ist; das Senden über ein fremdes besonderes elektronisches Anwaltsfach ist kein vom Gesetz eröffneter Weg der Ersatzeinreichung.
3. Die Wirksamkeit der Einreichung eines bestimmenden Schriftsatzes kann im Einzelfall zwar dadurch erreicht werden, dass der Schriftsatz eine Übernahme der inhaltlichen (Mit-) Verantwortung (auch) durch den übersendenden Rechtsanwalt erkennen lässt. Allein die Versendung eines fremden Schriftsatzes über das eigene beA als solche enthält nach dem objektiven Empfängerhorizont jedoch nicht die - konkludente - Erklärung des übermittelnden Rechtsanwalts, den Schriftsatz inhaltlich mitverantworten zu wollen.
4. Mangels unverzüglicher Glaubhaftmachung einer vorübergehenden technischen Unmöglichkeit im Sinne von § 130d Satz 1 ZPO ist schon allein deshalb selbst eine nach § 130d Satz 2 ZPO statthafte Ersatzeinreichung unwirksam.
(Amtliche Leitsätze)
Unter einer Berufungsbegründungsschrift stand der Name von Rechtsanwalt S. als einfache elektronische Signatur. Übersendet wurde die Berufungsbegründungsschrift aber über das beA von Rechtsanwalt P. Eine qualifizierte elektronische Signatur setzte Rechtsanwalt S. nicht ein. Das Gericht wies deshalb darauf hin, dass es an einer wirksamen Berufungsbegründung fehle und beabsichtigt sei, die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
Daraufhin trug Rechtsanwalt S. vor, dass die Übermittlung der Berufungsbegründungsschrift über das beA eines anderen Rechtsanwalts als Ersatzübermittlung nötig gewesen sei, weil die Übermittlung über sein Kanzlei-Programm technisch gestört gewesen sei. Entsprechendes gelte für dessen Versuch, sich über die beA-Webanwendung anzumelden. Auch die „verantwortliche Firma“ für das Kanzlei-Programm sei nicht zu erreichen gewesen. Ein „Faxen“ sei „nicht möglich“ gewesen, „da der Termin mit dem Techniker, der sich um die Behebung des kaputten Kabels kümmern sollte“ erst noch angestanden habe. Deshalb habe er den Rechtsanwalt P. gefragt, ob dieser die Berufungsbegründung über dessen Postfach versenden könne, „um einen fristgerechten Eingang der Berufungsbegründungsschrift zu gewährleisten“. Er habe nichts anderes tun können, als den ihm „seit Jahren vertrauten“ Rechtsanwalt um die Versendung aus dessen beA zu bitten.
Diesen Argumenten konnte sich das OLG Braunschweig nicht anschließen. Eine wirksame Einreichung bestimmender Schriftsätze aus dem beA sei ohne qualifizierte elektronische Signatur nur möglich, wenn der Aussteller das Dokument eigenhändig aus seinem Postfach versendet. Weil das vorliegend nicht der Fall sei, könne es dahingestellt bleiben, ob Rechtsanwalt P. als wirksam bestellter Vertreter von Rechtsanwalt S. handelte. Zwar könne die Wirksamkeit der Einreichung eines bestimmenden Schriftsatzes im Einzelfall dadurch erreicht werden, dass der Schriftsatz eine Übernahme der inhaltlichen (Mit-) Verantwortung (auch) durch den übersendenden Rechtsanwalt erkennen lässt. Daran fehle es hier aber: Die Versendung eines fremden Schriftsatzes über das eigene beA als solche enthalte nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht die – konkludente – Erklärung des übermittelnden Rechtsanwalts, den Schriftsatz inhaltlich mitverantworten zu wollen.
Auch läge keine wirksame Ersatzeinreichung vor. Der gewählte Weg der elektronischen Übermittlung über das beA eines anderen Rechtsanwalts sei kein gesetzlich zugelassener Weg der Ersatzeinreichung. Wiedereinsetzungsgründe seien nicht gegeben, denn Rechtsanwalt S. hätte eine (wirksame) Ersatzeinreichung nach § 130d S. 2 ZPO vornehmen können.
OLG Braunschweig, Beschluss vom 3.5.2024 – 9 U 79/24