BGH: Formgerechte Einreichung bei unzuständigem Gericht
1. Ein von einem Rechtsanwalt mit einfacher Signatur versehener und über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eingereichter Antrag auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist erfüllt auch dann die nach § 130d S. 1 ZPO erforderliche elektronische Form, wenn er beim unzuständigen Ausgangsgericht eingegangen ist. Für die fristwahrende Wirkung kommt es hingegen darauf an, wann das Dokument beim zuständigen Gericht eingegangen ist.
2. Die postalische Weiterleitung eines beim unzuständigen Gericht ordnungsgemäß in elektronischer Form eingereichten Fristverlängerungsantrags führt nicht zur Formunwirksamkeit des Antrags.
(Amtliche Leitsätze)
In einer Ehescheidungssache wurde der Antrag für die Verlängerung der Begründungsfrist einer Beschwerde zwar fristgerecht und formgerecht – nämlich per beA – eingereicht, nur leider beim falschen Gericht: Die Verfahrensbevollmächtigte reichte den Antrag am 13.6.2023 (einem Dienstag) beim Amtsgericht anstatt beim OLG ein. Die Begründungsfrist lief am 19.6.2023 (einem Montag) ab. Das Amtsgericht druckte den Fristverlängerungsantrag aus und leitete ihn postalisch an das zuständige OLG weiter, wo er leider erst nach abgelaufener Begründungsfrist am 22.6.2023 (einem Donnerstag) eintraf. Dies war für das OLG dann Anlass genug, die Beschwerde zu verwerfen und auch den Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen.
Nach Auffassung des BGH hat das Beschwerdegericht zu Unrecht die Wiedereinsetzung versagt. Zwar habe das Beschwerdegericht die ablaufende Beschwerdebegründungsfrist zu Recht als versäumt angesehen, weil die Beschwerdebegründung nicht innerhalb der Frist bei ihm eingegangen ist und auch eine Verlängerung der Frist mangels fristgerechten Eingangs des Fristverlängerungsantrags beim zuständigen Beschwerdegericht nicht in Betracht kam.
Allerdings seien die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Beschwerdebegründung erfüllt (§ 117 Abs. 5 FamFG i.V.m. § 233 S. 1 ZPO). Zwar beruhe die Versäumung der Frist auf einem Verschulden der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin. Dieses Verschulden habe sich jedoch auf die Versäumung der Frist nicht ausgewirkt. Denn im ordentlichen Geschäftsgang hätte die postalische Weiterleitung noch vor Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist beim Beschwerdegericht eingehen müssen.
Auch sei es nach Auffassung des BGH irrelevant, in welcher Form ein Schriftsatz von Gericht zu Gericht weitergereicht wird. Der Schriftsatz genüge den Anforderungen des § 130d S. 1 ZPO, wenn der Schriftsatz per beA bei einem unzuständigen Gericht eingehe. Aus dem Wortlaut der §§ 130a und 130d ZPO lasse sich nicht entnehmen, dass der Schriftsatz in elektronischer Form beim zuständigen Gericht eingehen muss. Die Normen regelten nur die aktive Nutzungspflicht zur Einreichung elektronischer Dokumente.
BGH, Beschluss vom 23.10.2024 – XII ZB 411/23