Die Ampel ist aus.
Nach dem Scheitern der Ampelkoalition Anfang November drohen auch die Anwaltschaft betreffende Gesetzentwürfe einstweilen nicht weiter verfolgt zu werden – allen voran der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes und des Justizkostenrechts (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz 2025). Diesem Entwurf ging ein zähes und unwürdiges Geschachere voraus – wie stets bei Anpassungen der Rechtsanwaltsvergütung verlangen die Länder eine mit der Erhöhung der RVG-Gebühren einhergehende Erhöhung der Gerichtskosten. Die letzte Anpassung der RVG-Gebühren erfolgte mit dem Ende 2020 verabschiedeten Kostenrechtsänderungsgesetz 2021. Zu diesem Zeitpunkt lag die vorangegangene Anpassung bereits mehr als sieben Jahre zurück. Schon die 2021 in Kraft getretenen Anpassungen berücksichtigten nur höchst unzureichend die tatsächlichen Kostensteigerungen der Kanzleien seit 2013 und erfüllten die Forderungen der Anwaltschaft bei weitem nicht. Am Ende handelte es sich um einen Kompromiss, um überhaupt eine Anpassung zu erzielen. Nachbesserungen sind schon deshalb nötig – und nicht nur das: Die COVID-19-Pandemie, der Krieg in der Ukraine und verschiedene andere Faktoren haben zu einem erheblichen Inflationsanstieg geführt. Kurz den Wertsicherungsrechner des statistischen Bundesamtes bedient, ergibt sich eine prozentuale Veränderung des Verbraucherpreisindexes des Monats Dezember 2020 bis zum aktuellen Indexstand vom Monat Oktober 2024 von 20,4 Prozent! Enttäuschend genug, dass es das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (welches wiederum erheblich hinter den Erwartungen der Anwaltschaft zurückbleibt, s. gemeinsame Stellungnahme von BRAK und DAV vom Juli 2024, BRAK-Nr. 46/2024), überhaupt nur bis zum Referentenentwurf geschafft hat, ist nun unabsehbar, wann sich der Gesetzgeber dieses Entwurfs annimmt.
Gleiches gilt für den vom BMJ noch jüngst vorgelegten Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung aufsichtsrechtlicher Verfahren des Rechts der rechtsberatenden Berufe (siehe hier), der eine Reihe durchaus wünschenswerter Regelungen beinhaltet. Hierzu zählen bislang fehlende Regelungen zur Durchführung von Wiederholungswahlen zum Kammervorstand, der Wegfall des Erfordernisses einer „unterbrechungslosen“ fünfjährigen Tätigkeit als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt als Voraussetzung der Wählbarkeit in den Kammervorstand, die Einführung anfechtbarer rechtlicher Hinweise der Kammern anstelle der bislang von der Rechtsprechung anerkannten, im Gesetz jedoch nicht vorgesehenen „missbilligenden Belehrung“, Erleichterungen für ausländische Berufsausübungsgesellschaften, oder der Wegfall der Sozietätserstreckung von Tätigkeitsverboten aufgrund Vorbefassung als wissenschaftlicher Mitarbeiter oder Referendar in einem Notariat oder bei Gericht. Alles durchaus begrüßenswerte Neuregelungen. Abzulehnen ist allerdings die im Entwurf ebenfalls enthaltene Beschränkung der Befugnis der wettbewerbsrechtlichen Klagebefugnis der Rechtsanwaltskammern bei RDG-Verstößen von Patentanwälten oder Steuerberatern, auch wenn solche Verstöße selten sind. Glücklicherweise unverändert nicht vorgesehen ist die vom BMJ für erforderlich gehaltene Verpflichtung der Kammern, Sammelanderkonten der Kammermitglieder anlasslos zu überprüfen. Allerdings: Die Diskussion hierüber wird weitergehen und auch kaum zu verhindern sein. Der Fortbestand der Sammelanderkonten ist derzeit nur aufgrund eines Nichtbeanstandungserlasses des Bundesfinanzministeriums gewährleistet. Kontenkündigungen der Banken nach Auslaufen dieses Erlasses Ende 2024 waren absehbar; nun scheint es, als würde dieser Erlass erfreulicherweise um ein Jahr verlängert werden. Das verschafft Zeit. Sollte sich die Kontenüberwachung durch die Kammern nicht verhindern lassen, wird dies nur mit einer zentralen digital arbeitenden Stelle bei der BRAK möglich sein, wie es sie in anderen Ländern bereits gibt. Ein anlasslose händische Kontenprüfung durch ehrenamtliche Kammervorstände wäre absurd. Damit allerdings werden zunächst wir uns in der Hauptversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer befassen müssen, bevor uns der Gesetzgeber mit irgendwelchen praxisfernen Regelungen überholt.
Ihr
Dr. Christian Lemke
Präsident