HANSEATISCHE RECHTSANWALTSKAMMER HAMBURG
Ausgabe 1/2022 vom 3. Februar 2022

OVG Hamburg: Urheberrecht schlägt Informationsrecht nach HmbTG

Kein Herausgabeanspruch nach HmbTG hinsichtlich eines anwaltlichen Schriftsatzes

In der vom OVG zu entscheidenden Frage ging es um die Herausgabe eines anwaltlichen Schriftsatzes auf der Grundlage des Hamburgischen Transparenzgesetzes. Der anwaltliche Schriftsatz wurde in einem Verwaltungsverfahren bei einer Behörde eingereicht und von dritter Seite unter Berufung eines Informationsanspruches nach § 1 Abs. 2 Alt. 1 HmbTG herausverlangt. Per Bescheid teilte die Behörde der herausverlangenden Stelle mit, dass sie dem Herausgabeverlangen nachkommen werde, aber bestimmte Stellen schwärzen müsse.

Nachdem die den Schriftsatz verfassenden Rechtsanwälte und deren Mandant davon in Kenntnis gesetzt wurden, legten sie gegen die Herausgabe des Schriftsatzes Rechtsmittel ein. In der Berufungsinstanz entschied nun das OVG Hamburg, dass ein Informationsanspruch nicht bestehe. Zwar lägen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Alt. 1 HmbTG vor; danach hat jede Person nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf unverzüglichen Zugang zu allen Informationen der auskunftspflichtigen Stellen. Dem Anspruch stünde jedoch ein Informationsverbot entgegen.

Dabei könne dahinstehen, ob das Informationsverbot aus § 9 Abs. 1 HmbTG i.V.m. dem Urheberrechtsgesetz oder aus der spezialgesetzlichen Regelung in § 8 Abs. 1 HmbTG folge, wonach eine Informationsplicht nicht besteht, soweit und solange der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht. Jedenfalls genieße der streitgegenständliche Schriftsatz Urheberrechtsschutz.

Es sei als Sprachwerk wissenschaftlicher und technischer Art nach § 2 UrhG urheberrechtlich geschützt. Der Urheberrechtsschutz eines anwaltlichen Schriftsatzes setze entgegen der im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17.4.1986 (I ZR 213/83) vertretenen Auffassung nicht (mehr) voraus, dass er nach dem Gesamteindruck der konkreten Gestaltung bei einer Gegenüberstellung mit der durchschnittlichen Gestaltertätigkeit das Alltägliche, Handwerksmäßige, bloße mechanisch-technische Aneinanderreihen von Material deutlich überragt. Vielmehr sei der Ansicht des BVerwG (Urteil vom 26.9.2019 – 7 C 1/18) zu folgen, welches zuletzt für die Beurteilung der Anforderungen des Urheberrechtsschutzes von wissenschaftlichen Werken den unionsrechtlichen, vom EuGH (EuGH, Urteil vom 12.9.2019 - C-683/17) werkartenübergreifend harmonisierten Werkbegriff angewendet habe.

Zum einen müsse es sich bei dem betreffenden Gegenstand um ein Original in dem Sinne handeln, dass er eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt. Zum anderen sei die Einstufung als Werk Elementen vorbehalten, die eine solche Schöpfung in einem mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbaren Gegenstand zum Ausdruck bringen.

Originalität sei dann gegeben, wenn der Gegenstand die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidungen zum Ausdruck bringe. Daran fehle es, wenn die Schaffung eines Gegenstands durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt wurde; Arbeitsaufwand oder bedeutende Sachkenntnis, die in die Gestaltung eingeflossen sind, genügten demnach nicht. Weist ein Gegenstand die erforderlichen Merkmale auf, müsse er als Werk urheberrechtlich geschützt werden. Dabei hänge der Umfang dieses Schutzes nicht vom Grad der schöpferischen Freiheit seines Urhebers ab und sei nicht geringer als derjenige, der allen unter die Richtlinie fallenden Werken zukomme. Hiernach decken sich die grundsätzlichen Anforderungen an die Originalität als Voraussetzung eines urheberrechtlich geschützten Werks mit den nach § 2 Abs. 2 UrhG entwickelten Maßstäben. Damit ist aber zugleich auch eine einheitliche Schutzuntergrenze bezeichnet.

Nach diesen Maßstäben könne eine Originalität dem Schriftsatz nicht abgesprochen werden. Für eine ausreichende Schöpfungshöhe spreche zunächst, dass der Schriftsatz immerhin acht Seiten umfasse.

Zudem sei der Text individuell und damit in origineller Weise gegliedert. Auch in der Gliederung des Schriftsatzes komme die freie kreative Entscheidung der Urheber zum Ausdruck. Zudem bestünde bei der Auswahl der einzelnen Wörter ein Gestaltungsspielraum. Dass der Sprachstil und Ausdruck womöglich in dem Schriftsatz in dem üblichen nüchternen, funktionalen, juristischen Duktus gehalten sei, stehe einer Schutzfähigkeit nicht entgegen.

OVG Hamburg, Urteil vom 20.9.2021 – 3 Bf 87/18